Der Klimawandel und die geografische Lage Österreichs sorgen für eine Zunahme von damit im Zusammenhang stehenden Schadenereignissen, die teilweise versichert werden können. Mit der Frage, was unter einem Erdrutsch zu verstehen ist, hat sich der OGH in 7 Ob 12/25b vom 19.2.2025 beschäftigt.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Das versicherte Objekt des VN wurde durch Bodenbewegungen beschädigt. Nach den getroffenen Feststellungen handelt es sich bei den aufgetretenen Bewegungen überwiegend um vertikale Baugrundverformungen bzw. vertikale Bodenbewegungen, die durch das feuchtigkeitsbedingte Quellen und Schrumpfen der vorhandenen Tone hervorgerufen wurden. Eine gravitative Talwärtsbewegung liegt nicht vor. Eine Rutschung entlang einer Gleitbahn steht nicht fest. Der Versicherer lehnte die Deckung ab, weil der Versicherungsfall „Erdrutsch“ nicht vorliegt. Die Deckungsklage des VN blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Nach den erstinstanzlichen Feststellungen sind geringe laterale Verformungen durch Hangkriechen zwar nicht auszuschließen, jedoch ist ein durchgehendes Hangkriechen nicht nachgewiesen. Das darauf aufbauende Tatsachenverständnis des Berufungsgerichtes, dass ein Hangkriechen nicht feststeht, ist nicht korrekturbedürftig, geht doch der VN selbst davon aus, dass zur „geringen lateralen Verformung durch Hangkriechen“ eine Negativfeststellung getroffen wurde. Die dem gegenständlichen Versicherungsvertrag zugrundeliegenden AVB definieren Erdrutsch als „eine naturbedingte Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn“. Die Beurteilung der Vorinstanzen, bei einem Quellen und Schrumpfen der Tone ohne gravitative Talwärtsbewegung handle es sich nicht um einen Erdrutsch im Sinne der Versicherungsbedingung, ist damit nicht korrekturbedürftig.
Kommentar
Die Deckung für die Folgen von Erdrutschen erfordert keine spezielle Versicherung, sondern ist idR Bestandteil der Sturmversicherung. In 7 Ob 189/24f vom 29.1.2025 hat der OGH zur identen Bedingungslage bereits ausgesprochen, dass im Falle von unter der Erdoberfläche stattgefundenen Kriechbewegungen (etwa von wenigen Millimetern pro Jahr) bereits die primäre Risikobeschreibung eines Erdrutsches als versicherte Gefahr nicht erfüllt ist. Er zitierte drei österreichische und eine deutsche Entscheidung sowie zwei österreichische und fünf deutsche Lehrmeinungen, wobei der Erdrutsch in Deutschland meist anders formuliert ist. Letztendlich schloss er sich den österreichischen Lehrmeinungen an, wonach ein Erdrutsch von einer gewissen Dynamik gekennzeichnet sein muss, die – auch wenn sie sehr langsam ist – dann doch zumindest visuell bemerkbar sein muss (Reisinger, Die Sachversicherung [2024] 74; Jesenitschnig, Der Schaden in der Sachversicherung [2018] 197). Bei einem identen Sachverhalt und nahezu identen AVB (wenn auch bei einem anderen Versicherer) konnte der OGH auf Grund dieser Entscheidung am selben Tag die Revision zurückweisen (OGH 7 Ob 199/24a). Auch bei dieser neuerlichen Entscheidung wurde die Revision zurückgewiesen, weil die Frage Erdrutsch ja oder Erdrutsch nein von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist.
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