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Versichern mit Verantwortung: Warum Nachhaltigkeit mehr ist als Pflicht

(Bild: © top images - stock.adobe.com)

Versichern mit Verantwortung: Warum Nachhaltigkeit mehr ist als Pflicht

06. August 2025

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Kaum ein Begriff hat die Versicherungswelt in den letzten Jahren so stark geprägt wie „Nachhaltigkeit“. Was anfangs als Nischenthema galt, hat sich inzwischen zu einem festen Bestandteil von Regulierung, Kapitalanlage und Produktentwicklung entwickelt. Doch zwischen Berichtspflicht, ESG-Rating und Kundenpräferenzen bleibt eine Frage entscheidend: Wie lässt sich Nachhaltigkeit konkret und gewinnbringend in der Versicherungsberatung verankern?

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 06.08.2025

Gerade für Versicherungsmakler bietet das Thema mehr als nur zusätzlichen bürokratischen Aufwand – es eröffnet neue Beratungsfelder, schafft Differenzierung und stärkt das Vertrauen der Kunden. Bei vielen unserer Interviews in den vergangenen Monaten oder auch bei Vorträgen im Zuge von Veranstaltungen, bei denen ich für AssCompact dabei war, nimmt das Thema immer mehr Raum ein. Was sich aus den vielen Inputs klar herausziehen lässt: Es braucht klare Orientierung und praxisnahe Umsetzung.

Klimarisiken auf dem Vormarsch – und Versicherer an der Front

Wetterextreme, Überschwemmungen und zunehmende Naturkatastrophen sind längst keine Randerscheinungen mehr. Allein 2023 beliefen sich die weltweiten volkswirtschaftlichen Schäden durch Naturereignisse laut Munich Re auf rund 250 Mrd. US-Dollar. Ein signifikanter Teil davon betraf auch versicherte Risiken. Für Versicherungsunternehmen – und ihre Kunden – bedeutet das: Risikomodelle müssen neu gedacht, Schadenprävention gestärkt und Deckungskonzepte angepasst werden. Nachhaltigkeit wird so vom ethischen Prinzip zur ökonomischen Notwendigkeit. Die Branche steht dabei nicht abseits, sondern mittendrin – als Risikoträger, als Kapitalgeber und als Transformationspartner.

Regulatorik als Spielmacher – und Stolperstein zugleich

Die EU-Taxonomie, die Offenlegungsverordnung, ESG-Klassifizierungen: Kaum ein Vermittler kommt heute noch am Begriff „Nachhaltigkeit“ vorbei, ohne mit Regulatorik in Berührung zu kommen. Das Dilemma: Viele der Vorgaben sind komplex, teils interpretationsbedürftig – und für kleine Vermittlerbetriebe schwer in der täglichen Praxis umsetzbar, wie wir immer wieder aus dem Markt zu hören bekommen.

Gleichzeitig steckt in der Regulierung ein klarer Auftrag: Versicherungsunternehmen und Vertriebspartner sollen nachhaltige Produkte nicht nur anbieten, sondern transparenter machen, einordnen und aktiv erklären. Das ist keine Kür, sondern Pflicht. Wer hier frühzeitig Know-how aufbaut, positioniert sich langfristig als kompetenter Ansprechpartner.

Zwischen ESG und Impact – was Kunden wirklich wissen wollen

Auffällig ist: Obwohl Nachhaltigkeit vielen Kundinnen und Kunden laut Umfragen wichtig ist, antworten die meisten auf die gesetzlich vorgeschriebene ESG-Präferenzabfrage mit einem „Nein“. Der Grund liegt selten im fehlenden Interesse – sondern meist im fehlenden Verständnis. Laut einer Studie wusste über die Hälfte der befragten Privatanleger nicht, was ESG überhaupt bedeutet. Begriffe wie „Impact Investing“ oder „nachhaltige Taxonomie“ wirken abstrakt, wenn sie nicht verständlich eingeordnet werden. Hier kommen ungebundene Vermittler ins Spiel: Wer einfache Sprache spricht, Orientierung bietet und echte Aufklärung leistet, macht den Unterschied – und gewinnt Vertrauen.

Nachhaltigkeit ist nicht gleich Nachhaltigkeit

Ein wesentlicher Beratungsaspekt liegt Experten zufolge in der Unterscheidung von zwei grundlegend verschiedenen Ansätzen:

  • ESG-Integration: Hier geht es um die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken. Es wird bewusst in Unternehmen investiert, die klimafreundlich wirtschaften oder geringen CO₂-Ausstoß aufweisen. Diese Produkte dominieren aktuell den Markt.
  • Impact Investing: Der Fokus liegt auf messbarer Wirkung – z. B. durch Investitionen, die direkt zur CO₂-Reduktion oder zu sozialen Verbesserungen beitragen. Diese Produkte sind seltener, komplexer – und beratungsintensiver.

Diese Differenzierung hilft dabei, Kundenbedürfnisse gezielter zu bedienen und unrealistische Erwartungen zu vermeiden.

Vermittler als Nachhaltigkeitsmultiplikatoren

Maklerinnen und Makler werden in der aktuellen Phase zu entscheidenden Brückenbauern zwischen Produktgebern und Endkunden. Denn nachhaltige Versicherungsangebote gibt es längst – von der fondsgebundenen Altersvorsorge mit ESG-Fokus über Kfz-Versicherungen für Elektromobilität bis hin zur Wohngebäudeversicherung mit Prämienbonus für energieeffiziente Sanierungen. Doch Produkte allein reichen nicht. Es braucht glaubwürdige Kommunikation, individuelle Beratung und Zertifizierung, um Kompetenz zu zeigen. Meinungsumfragen zeigen, dass ein Großteil der Kundinnen für nachhaltige Angebote offen sind, wenn sie aktiv angesprochen werden.

Die Zukunft nachhaltiger Investments wird sich eventuell weniger auf klassische „grüne“ Unternehmen konzentrieren, sondern auf die Unterstützung der Transformation CO₂-intensiver Branchen. Denn dort ist der Hebel größer. Ein Zementhersteller, der seine Produktion umstellt, bewirkt womöglich am Ende mehr als ein weiterer Windradproduzent.

Auch hier können Versicherungen – über Produktdesign und Kapitalanlage – zur Veränderung beitragen. Makler sollten diese Entwicklungen beobachten, um ihre Kunden bei Transformationsprozessen von Anfang an strategisch begleiten zu können.

Nachhaltigkeit ist eine Frage der Haltung – und des Handelns

Nachhaltigkeit in der Versicherungswelt ist weit mehr als eine Compliance-Frage. Sie ist ein Gestaltungsauftrag – an Produktgeber, an Berater und an die gesamte Branche. Wer frühzeitig Kompetenzen aufbaut, regulatorische Anforderungen ernst nimmt und die Sprache der Kunden spricht, schafft Mehrwert. Für sich selbst, für seine Kunden – und letztlich für die Gesellschaft.

Für Österreichs Versicherungsvermittler liegt darin eine große Chance: sich als nachhaltiger Mitgestalter im Markt zu positionieren, aktiv aufzuklären und mit einer glaubwürdigen, individuellen Beratung nachhaltige Lösungen greifbar zu machen. Das klingt jetzt sicher für den einen oder anderen noch etwas weit hergeholt. Aber: Das Thema wird bleiben – und wer es intelligent in seinen Arbeitsalltag einbaut, bleibt nicht nur gesetzeskonform, sondern zukunftsfit.

Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact August-Ausgabe!

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