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Rechtsschutzversicherung: Wonach richtet sich der Versicherungsfall?

(Bild: © Daniel - stock.adobe.com)

Rechtsschutzversicherung: Wonach richtet sich der Versicherungsfall?

04. August 2025

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5 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Eine GmbH wollte ihren Firmenrechtsschutz in Anspruch nehmen, um arbeitsrechtliche Ansprüche gegen einen Ex-Mitarbeiter durchzusetzen. Der Versicherer verweigerte jedoch die Deckung – mit der Begründung, dass das schadenstiftende Verhalten des Mitarbeiters bereits vor Beginn des Versicherungsvertrags eingesetzt habe. Der Fall landete beim OGH (7 Ob 207/24b)

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Zwischen der Versicherungsnehmerin – einer GmbH – und dem Versicherer besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag („Firmenrechtsschutz“), unter anderem mit dem Rechtsschutzbaustein des Arbeitsgerichtsrechtsschutzes ab 04.12.2019. Die der Polizze zugrunde liegenden Allgemeinen Zürich Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2005) lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 2
Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
[…]
Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben. […]

Artikel 3
Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)
1. Die Versicherung erstreckt sich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrags eintreten.
2. Löst eine Willenserklärung oder Rechtshandlung des Versicherungsnehmers, des Gegners oder eines Dritten, die vor Versicherungsbeginn vorgenommen wurde, den Versicherungsfall gemäß Art 2.3 aus, besteht kein Versicherungsschutz.
[…]“

Die Versicherungsnehmerin beabsichtigte, Ansprüche gegen einen ehemaligen Mitarbeiter geltend zu machen und ersuchte den Versicherer am 22.12.2022 dazu – bei gleichzeitiger Übermittlung eines Klagsentwurfs – um Rechtsschutzdeckung. Am 23.12.2022 brachte der Versicherungsnehmer die Klage gegen den ehemaligen Mitarbeiter ein, ohne vorher die Antwort des Versicherers abzuwarten.

Nach den Schilderungen im übermittelten Klagsentwurf vom 22.12.2022 beruht der Anspruch der Versicherungsnehmerin auf einer Verletzung von Aufsichts- und Kontrollpflichten des Mitarbeiters der GmbH. Die Versicherungsnehmerin lastet dem Mitarbeiter insbesondere intransparente Auftragsabwicklung, fehlerhafte Dokumentation und daraus resultierend eine fehlende Nachvollziehbarkeit der Lademittelverwaltung an. Dieses Verhalten wirft die Versicherungsnehmerin dem Mitarbeiter seit Beginn des Dienstverhältnisses im April 2019 an. Es wird auch nicht zwischen Verfehlungen des Mitarbeiters im Jahr 2019 und im Jahr 2020 differenziert.

Mit Schreiben vom 30.12.2020 teilte der Versicherer der Versicherungsnehmerin mit, dass kein Versicherungsschutz bestehe, weil der Versicherungsfall gemäß der Schilderung in der Klage bereits im April 2019 eingetreten sei.

Die Versicherungsnehmerin brachte daraufhin gegen den Rechtsschutzversicherer eine Deckungsklage ein. Darin differenzierte die Versicherungsnehmerin plötzlich zwischen den Verfehlungen „Lademittel-Altschulden“ und „Lademittelgebarung“, wobei der Verstoß bezüglich der Lademittelgebarung erst im Mai 2020 begonnen habe.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.02.2025, Aktenzeichen: 7 Ob 207/24b, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass es für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalls grundsätzlich auf die Behauptungen in dem Verfahren ankommt, für das Rechtsschutz begehrt wird, im vorliegenden Fall somit auf die Schilderungen im Klagsentwurf vom 22.12.2022. Es komme daher gerade nicht auf davon abweichende Schilderungen im Deckungsprozess gegen den Rechtsschutzversicherer an.

Der OGH kam daher im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der erste Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Lademittelgebarung („gemäß Klagsentwurf seit April 2019“) vor dem Beginn des Versicherungsschutzes erfolgt ist. Dieser erste Verstoß stelle nämlich gemeinsam mit den danach erfolgten gleichartigen Verstößen einen als Einheit zu wertenden Verstoß dar. Der OGH wies daher die Deckungsklage mit der Begründung ab, dass ein vorvertraglicher, bereits im April 2019 begonnener (einheitlicher) Dauerverstoß vorliege.

Schlussfolgerungen

Nach der Judikatur des OGH sind mehrere gleichartige Verstöße als ein einheitlicher Verstoß zu qualifizieren, wenn schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen war. In diesem Fall ist für den Zeitpunkt des Versicherungsfalls auf den ersten Verstoß abzustellen, wenn dieser schon, für sich allein betrachtet, geeignet war, den Rechtskonflikt auszulösen, oder zumindest noch erkennbar nachwirkte und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit noch mitauslöste.

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