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Trendtag 2025: Wertsicherungsklauseln in der privaten Krankenversicherung

(Bild: ©Wellnhofer Designs - stock.adobe.com)

Trendtag 2025: Wertsicherungsklauseln in der privaten Krankenversicherung

25. August 2025

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7 Min. Lesezeit

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Trendtag-News-Recht & Wissen

Die rechtlichen Grundlagen der Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung stehen zunehmend im Fokus juristischer und politischer Debatten. Mag. Lisa Katharina Promok, Leiterin des Forschungsinstituts für Privatversicherungsrecht an der Universität Salzburg, ist Referentin beim AssCompact Trendtag 2025. In ihrem Vortrag thematisiert sie die rechtliche Einordnung von Wertsicherungsklauseln in der privaten Krankenversicherung – vor dem Hintergrund aktueller Entscheidungen des OGH und möglicher Auswirkungen auf Versicherungsbedingungen und Prämienanpassungen.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 25.08.2025

Wertsicherungsklauseln begegnen uns im Vertragsrecht regelmäßig, vor allem im Mietrecht. Sie ermöglichen eine Anpassung des Entgelts – etwa der Miete – an einen Index, um den inflationsbedingten Wertverlust auszugleichen. Weniger präsent, aber von nicht minderer rechtlicher Relevanz, sind vergleichbare Anpassungsklauseln im Versicherungsvertragsrecht. Besonders in der privaten Krankenversicherung stellen sich aktuell grundsätzliche Fragen zur Wirksamkeit solcher Klauseln – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen.

Der Ausgangspunkt: §6 Abs2 Z4 KSchG

Nach §6 Abs2 Z4 Konsumentenschutzgesetz (KSchG) ist eine Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie dem Unternehmer einseitig innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss eine Entgelterhöhung erlaubt – es sei denn, sie wurde im Einzelnen ausgehandelt. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat diese Regelung in seinen jüngsten Entscheidungen (Siehe dazu die maßgeblichen Entscheidungen: 2 Ob 36/23t; 8 Ob 37/23h; 8 Ob 6/24a; 1 Ob 64/24d) auf Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen angewendet und dabei die sogenannte kundenfeindlichste Auslegung angewandt und dem zugrunde gelegt.

Übertragung auf die Krankenversicherung

In jüngerer Zeit wird diskutiert, ob diese Rechtsprechung auch auf Prämienanpassungsklauseln in der privaten Krankenversicherung anzuwenden ist. Diese Klauseln – regelmäßig Bestandteil der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) – erlauben eine Erhöhung der Versicherungsprämie bei geänderten Kostenverhältnissen, etwa durch gestiegene Lebenserwartung oder medizinischen Fortschritt. Grundlage dafür ist §178f Versicherungsvertragsgesetz (VersVG), der sowohl den Rahmen als auch die zulässigen Faktoren für eine Prämien- oder Leistungsanpassung normiert.

Geltung von §6 Abs2 Z4 KSchG neben §178f VersVG?

Der Streitpunkt ist nun, ob §6 Abs2 Z4 KSchG neben §178f VersVG Anwendung findet. Befürworter argumentieren, dass das KSchG als allgemeines Verbraucherschutzgesetz zusätzlich gelten müsse. Die Vorschrift des §178f VersVG erwähne zwar §6 Abs1 Z5 und Abs2 Z3 KSchG ausdrücklich, lasse §6 Abs2 Z4 jedoch aus. Daraus dürfe man aber nicht schließen, dass diese Norm keine Anwendung finde. Ziel des §6 Abs2 Z4 KSchG sei es schließlich, Konsumenten vor überraschenden Preiserhöhungen kurz nachVertragsabschluss zu schützen – ein Interesse, das auch in der Krankenversicherung besteht.

Gegenposition: VersVG als abschließende Regelung

Dem gegenüber steht die herrschende Rechtsprechung des OGH, der §178f VersVG als abschließende Sonderregelung für Leistungs- und Prämienanpassungen versteht. Die genannte Bestimmung konkretisiere die einschlägigen Verbraucherschutznormen des KSchG – insbesondere §6 Abs1 Z5 und Abs2 Z3 – und regele die Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Anpassungsklauseln umfassend. Eine zusätzliche Anwendung des §6 Abs2 Z4 KSchG würde dieses System durchbrechen, zu Widersprüchen führen und die kalkulatorische Stabilität der Versicherungswirtschaft gefährden.

Mögliche Konsequenzen bei Anwendung von §6 Abs2 Z4 KSchG

Würde man §6 Abs2 Z4 KSchG auf Krankenversicherungsverträge anwenden, hätte das gravierende Auswirkungen: Prämienerhöhungen innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss wären ohne ausdrückliche Aushandlung unwirksam. Da die AVB regelmäßig nicht individuell verhandelt werden, wären viele Klauseln nichtig. Das wiederum könnte bedeuten, dass Versicherungsnehmer Prämien zurückfordern könnten – mit potenziell enormen finanziellen Folgen für die Versicherer. Das System der lebenslangen privaten Krankenversicherung (§178i VersVG), das auf der Prämien-Leistungs-Äquivalenz basiert, stünde unter Druck.

Einordnung und Ausblick

Der Gesetzgeber hat mit §178f VersVG ein System geschaffen, das die Interessen von Versicherern und Versicherten in Ausgleich bringt. Es verpflichtet zu transparenter Information und beschränkt die Änderungsmöglichkeiten auf gesetzlich definierte Faktoren. Auch im Hinblick auf den Zweck des Gesetzes spricht vieles dafür, §178f VersVG als lex specialis gegenüber §6 Abs2 Z4 KSchG zu verstehen. Letzterer soll kurzfristige Überraschungen verhindern, wohingegen die Krankenversicherer prämienrelevante Änderungen meist nur jährlich, transparent und voraussehbar durchführen.

Fazit

Die Diskussion um die Anwendung des §6 Abs2 Z4 KSchG auf Krankenversicherungsverträge ist mehr als ein akademischer Disput. Sie berührt die Grundstruktur der privaten Krankenversicherung und könnte deren langfristige Funktionsweise infrage stellen.

Lisa Katharina Promok beim AssCompact Trendtag 2025

Trendtag 2025: Wertsicherungsklauseln in der privaten Krankenversicherung

Mag. Lisa Katharina Promok, Leiterin des Forschungsinstituts für Privatversicherungsrecht an der Universität Salzburg

Am 9. Oktober 2025 spricht Mag. Lisa Katharina Promok im Rahmen des AssCompact Trendtags im Eventhotel Pyramide Wien/Vösendorf zum Thema „Wertanpassung am Prüfstand – Wie Rechtsprechung und Politik Versicherungsverträge verändern“TT25_Programmübersicht_….

Im Mittelpunkt ihres Vortrags steht die Frage, ob die Rechtsprechung zur Mietzinsindexierung (§6 Abs2 Z4 KSchG) auch auf Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung übertragbar ist – und welche Risiken sich daraus für die Versicherungswirtschaft ergeben. Vermittler erhalten einen kompakten Überblick über die rechtlichen Grundlagen, aktuelle Entwicklungen sowie über potenzielle Handlungsfelder im Umgang mit langfristigen Versicherungsverträgen. Ein wichtiges Thema, das langfristige Kundenbeziehungen, AVB-Gestaltung und Beratungspraxis direkt betrifft.

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Trendtag 2025: Wertsicherungsklauseln in der privaten Krankenversicherung

Der AssCompact Trendtag 2025 findet am Donnerstag, 9. Oktober 2025 im Eventhotel Pyramide Wien/Vösendorf statt und gilt als einer der wichtigsten Branchentreffs für die Versicherungs- und Finanzwirtschaft in Österreich. Auf dem Programm stehen hochkarätige Keynotes, drei Fachkongresse, zahlreiche Produkt- und Serviceneuheiten sowie ein umfangreicher Messebereich mit rund 80 Ausstellern.

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