Ein Versicherungsnehmer, der nach einer Krebsoperation dauerhaft über eine PEG-Sonde ernährt wird, musste während einer Reise in die USA wegen einer Fehlfunktion der Sonde ärztlich behandelt werden. Der Reiseversicherer verweigerte die Kostenübernahme mit der Begründung, dass keine plötzlich aufgetretene Erkrankung vorliege, sondern eine Folge der bestehenden Grunderkrankung. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof. (7 Ob 32/25v)
Artikel von:
Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Der Versicherungsnehmer musste infolge einer Krebsoperation im Jahr 2010 dauerhaft über eine Perkutane Endoskopische Gastrostomie-Sonde (PEG-Sonde) ernährt werden. Im Jahr 2022 buchte er eine Reise nach Miami und schloss zugleich eine Reiseversicherung ab.
Die Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
„III. ALLGEMEINER TEIL […]
6.1. Kein Versicherungsschutz besteht:
a) wenn der Eintritt des Schadensfalls vorhersehbar oder zur Zeit des Abschlusses des Versicherungsvertrags bereits eingetreten war;[…]
IV. BESONDERER TEIL[…]
1.1. Versicherungsfall ist eine plötzlich auftretende akute Erkrankung oder ein Unfall oder der Eintritt des Todes des Versicherten während einer versicherten Reise.
1.2. Im Versicherungsfall deckt der Versicherer bis zur Versicherungssumme die unaufschiebbaren, grundlegenden, unvermeidbaren und tatsächlich angefallenen medizinisch notwendigen Behandlungskosten […]
2. Was ist nicht versichert?
2.1. Zusätzlich zu den im Allgemeinen Teil der VB-RV dargelegten Ausschlüssen besteht keine Versicherungsleistung der medizinischen Kosten: […]
b) wenn die medizinische Versorgung der Behandlung einer Krankheit dient, die innerhalb von 12 Monaten vor dem Vertragsabschluss bestand und/oder die vor Antritt der versicherten Reise aufgetreten ist; dieser Ausschluss betrifft nicht Kosten, die für Maßnahmen der Lebenserhaltung notwendig sind;[…]“
Während der Reise kam es in den USA zu einer Fehlfunktion der Sonde, weshalb der Versicherungsnehmer in einem örtlichen Krankenhaus behandelt werden musste. Er klagte seinen Versicherer daraufhin auf Deckung der entstandenen Behandlungskosten. Der Versicherer argumentierte vor Gericht, dass die Fehlfunktion der PEG-Sonde keine akute Erkrankung, sondern die Folge einer bereits seit Jahren bestehenden Krankheit sei.
Der Oberste Gerichtshof hatte zu klären, ob der Ausfall eines implantierten Heilbehelfs als versicherter Krankheitsfall anzusehen ist.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung 7 Ob 32/25v vom 7. Mai 2025 führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass zwischen primärer Risikoabgrenzung – also der Definition, welche Ereignisse grundsätzlich gedeckt sind (hier: plötzlich auftretende akute Erkrankung oder Unfall) – und sekundärer Risikoabgrenzung, die über Ausschlussklauseln bestimmte Teilrisiken von der Deckung ausnimmt (etwa chronische Erkrankungen oder vorhersehbare Ereignisse), zu unterscheiden ist. Entscheidend war daher die Frage, ob der Ausfall der PEG-Sonde eine „plötzlich auftretende akute Erkrankung“ darstellt oder bloß eine Folge der bekannten Grunderkrankung ist.
Nach Ansicht des OGH liegt eine Erkrankung dann vor, wenn ein anomaler körperlicher Zustand mit einer nicht unerheblichen Funktionsstörung einhergeht. Der Versicherungsnehmer litt zwar an einer chronischen Erkrankung, diese war jedoch durch die funktionierende PEG-Sonde ausgeglichen. Der Ausfall der Sonde führte plötzlich dazu, dass er nicht mehr ernährt werden konnte. Darin liegt – aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – ein neuer, plötzlich auftretender Krankheitszustand, der unabhängig von der ursprünglichen Erkrankung zu bewerten ist.
Der OGH stellte daher klar: Der Defekt eines in den Körper integrierten Heilbehelfs, der zu körperlichen Beeinträchtigungen führt, gilt als plötzlich auftretende Erkrankung im Sinn der Versicherungsbedingungen. Der Eintritt dieses Zustands war weder vorhersehbar noch bloß Ausdruck der bestehenden Krankheit. Der Versicherer hatte daher zu decken.
Schlussfolgerungen
Der OGH stellt in dieser Entscheidung klar, dass der Ausfall eines medizinischen Hilfsmittels, das eine chronische Erkrankung kompensiert, als neuer akuter Krankheitsfall zu qualifizieren sein kann. Entscheidend ist, ob der Ausfall zu einem plötzlichen körperlichen Defizit führt, das unabhängig von der Grunderkrankung besteht.
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