zurück zur Übersicht

Beitrag speichern

Kaskoversicherung: Grobe Fahrlässigkeit bei bewusster Herbeiführung des Haftungsgrenzbereichs

(Bild: © Studio_East - stock.adobe.com)

Kaskoversicherung: Grobe Fahrlässigkeit bei bewusster Herbeiführung des Haftungsgrenzbereichs

27. Oktober 2025

|

4 Min. Lesezeit

|

Im Blickpunkt

Ein Versicherungsnehmer verunfallte mit seinem BMW M2 Competition bei einem Drift-Training auf einer Rennstrecke. Die Kaskoversicherung lehnte die Deckung ab, da der Versicherungsnehmer durch das bewusste Herbeiführen eines gefährlichen Fahrzustands im Haftungsgrenzbereich grob fahrlässig gehandelt habe (7 Ob 86/25k).

Artikel von:

Mag. iur. Bernd Föttinger

Mag. iur. Bernd Föttinger

Rechtsanwaltsanwärter bei Dr. Erich Bernögger und Jurist bei AssCompact Österreich

Der Versicherungsnehmer hatte sein Fahrzeug bei der Beklagten kaskoversichert. Der Polizze lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug-Kasko-Versicherung (ABK/RV 2019) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 6 Was ist nicht versichert?

Es besteht kein Versicherungsschutz für Schadensereignisse, [...]

2. die bei der Verwendung des Kraftfahrzeuges bei einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung, bei der es auf die Erzielung einer Höchstgeschwindigkeit ankommt, oder ihren Trainingsfahrten, entstehen; [...].

Artikel 7 Was ist vor bzw. nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Als Obliegenheiten, deren Verletzung im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 1a VersVG [...] bewirkt, wird die Verpflichtung bestimmt, Vereinbarungen über die Verwendung des Fahrzeuges einzuhalten. [...]

Der Versicherungsnehmer nahm am 31.05.2021 an einem Drift-Training teil. Beim Driften wird das Fahrzeug bewusst im Haftungsgrenzbereich mit Schräglaufwinkel durch Kurven bewegt, indem die Traktion der Hinterräder reduziert wird. Dies erhöht die Schadenswahrscheinlichkeit. Bei Geschwindigkeiten zwischen 100 und 120 km/h geriet er auf der nassen Fahrbahn vor einer Linkskurve ins Schleudern, das Fahrzeug drehte sich um 180° und prallte gegen die Leitschiene. Die Reparaturkosten betrugen EUR 25.955,20.

Rechtliche Beurteilung des OGH:

In seiner Entscheidung führte der OGH zunächst aus, dass unter einer kraftfahrsportlichen Veranstaltung die Teilnahme an einem Leistungsvergleich, einer Steigerung oder Zurschaustellung dieser Leistungen zu verstehen ist. Nach den Feststellungen ging es beim Drift-Training weder darum, Höchstgeschwindigkeiten zu erzielen, noch gab es eine Zeitaufzeichnung oder Wertung. Der Ausschlussgrund nach Artikel 6.2 ABK/RV 2019 war daher nicht verwirklicht.

Der OGH prüfte sodann, ob der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hatte. Nach § 61 VersVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt. Grobe Fahrlässigkeit liegt im Sinne des § 61 VersVG vor, wenn sich das Verhalten als auffallende Sorglosigkeit heraushebt und die Schadenswahrscheinlichkeit offenkundig so groß ist, dass es nahe liegt, ein anderes Verhalten in Betracht zu ziehen.

Der OGH stellte fest, dass der Unfall seinen Ausgang nahm, weil der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug bewusst in eine schwer beherrschbare Lage bringen wollte – in den Haftungsgrenzbereich. Dies um ein Fahrmanöver durchzuführen, das nach den Feststellungen die Gefahr eines Schadenseintritts erhöht. Es ist für jedermann leicht erkennbar, dass in einer solchen bewusst herbeigeführten Grenzsituation jederzeit ein Kontrollverlust eintreten kann, insbesondere auf nasser Fahrbahn. Die Schadenwahrscheinlichkeit wird offenkundig und weit überdurchschnittlich erhöht. Da der Versicherungsnehmer dieses Risiko bewusst in Kauf genommen hat, hat er den Versicherungsfall grob schuldhaft herbeigeführt.

Conclusio

Die Entscheidung verdeutlicht, dass das bewusste Herbeiführen gefährlicher Fahrsituationen im Haftungsgrenzbereich – selbst auf gesperrten Rennstrecken – grobe Fahrlässigkeit darstellen kann. Entscheidend ist, dass der Fahrer sein Fahrzeug vorsätzlich in eine schwer beherrschbare Lage bringt und dabei die offenkundig erhöhte Schadenswahrscheinlichkeit bewusst in Kauf nimmt.

zurück zur Übersicht

Beitrag speichern

sharing is caring

Das könnte Sie auch interessieren


Ihnen gefällt dieser Beitrag?

Dann hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

(Klicken um Kommentar zu verfassen)