Der Ersatz von Rettungskosten gemäß § 63 VersVG setzt einen bereits eingetretenen oder zumindest unmittelbar drohenden Versicherungsfall voraus. Daran ändert auch die Mitversicherung von reinen Vermögensschäden in der Betriebshaftpflichtversicherung nichts, wie die Entscheidung OGH 7 Ob 23/25w vom 19.3.2025 zeigt.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Die VN war mit der Planung, Fertigung und Montage von medizintechnischen Funktionsmöbeln aus Metall für Operationssäle beauftragt worden. Im Zuge der Montage vor Ort stellte sich heraus, dass die Schränke nicht den technischen und vertraglichen Anforderungen an Stabilität und Tragfähigkeit entsprachen. Die VN und ihre Auftraggeberin vereinbarten daraufhin, dass die VN die Schränke neu produziert. Weiters einigten sie sich auf einen neuen Fertigstellungstermin. Die VN vertritt die Ansicht, dass durch ihr Eingreifen (Sanierung aufgrund der neuen Vereinbarung mit der Auftraggeberin) ein reiner Vermögensschaden in Form von Vertragsstrafen und weitaus höheren Forderungen, die aufgrund der sonst drohenden (hypothetischen) Sperre der Operationssäle von rund 3 Mio. Euro entstanden wären, abgewehrt wurde. Der geltend gemachte Betrag stelle daher vom Versicherer zu ersetzende (vorgezogene) Rettungskosten dar. Diese Ansicht wurde von den Gerichten nicht geteilt und die Deckungsklage der VN blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter den Begriff Rettungskosten fallen nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte. Von vorneherein nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen alle jene Ausgaben, die „sowieso“, das heißt ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme, erwachsen wären. Unvorhergesehener Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung ist nicht als Rettungskosten zu qualifizieren. Das Berufungsgericht kam zum Ergebnis, dass die VN neben den behaupteten Schadenersatzforderungen für Mangelfolgeschäden jedenfalls dem Anspruch auf Erfüllung der modifizierten Vereinbarung der Auftraggeberin ausgesetzt gewesen wäre. Der von der VN geltend gemachte unvorhergesehene Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung ist nicht als Rettungskosten zu qualifizieren.
Kommentar
Nach § 62 VersVG ist der VN verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalles den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er hat gemäß § 63 VersVG unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Rettungsaufwandes durch den Versicherer. Dies setzt allerdings einen gedeckten Versicherungsfall voraus. Da die VN die reinen Vermögensschäden mitversichert hat, war sie bemüht, den zweifellos nicht gedeckten Mangelschaden auf dem Umweg über die Rettungskosten zu einem quasi vermiedenen mitversicherten reinen Vermögensschaden zu machen. Sie hatte allerdings das Problem, dass sie aufgrund der neuen Vereinbarungen mit ihrer Auftraggeberin nicht annähernd darstellen konnte, worin dieser vermiedene reine Vermögensschaden überhaupt bestehen solle. Zudem ist in der Lehre strittig, ob in der Haftpflichtversicherung eine Vorerstreckung der Rettungsobliegenheit überhaupt anzunehmen ist (z.B. Vonkilch in Fenyves/Perner/Riedler, VersVG § 62 Rz 21).
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