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Roundtable Gewerbe- und Industrieversicherung: Zwischen Verantwortung und Innovation (Teil 2)

Roundtable Gewerbe- und Industrieversicherung: Zwischen Verantwortung und Innovation (Teil 2)

26. September 2025

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7 Min. Lesezeit

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Recht & Wissen

Im zweiten Teil des Beitrages zum AssCompact Roundtables "Gewerbe- und Industrieversicherung" stehen Prävention und Risikoqualität, die Verantwortung der Versicherer gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft, die Rolle der Makler sowie Fragen des Fachkräftemangels und der Servicequalität im Mittelpunkt. Diskutiert wurden zudem neue Lösungsansätze wie Captives, Assekuradeur-Modelle und parametrische Deckungen.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 26.09.2025

Prävention und Risikoqualität: Schlüssel zur Versicherbarkeit

Einigkeit herrschte darüber, dass ohne Prävention langfristig keine Versicherbarkeit möglich ist. Risk Engineering sei heute das Herzstück der Industrieversicherung. „Wir sehen, dass die Schere der Unversicherbarkeit größer wird. Der einzige Weg, um Risiken attraktiv zu machen, ist Prävention“, betonte ein Teilnehmer. Ein anderer ergänzte: „Jedes Risiko ist versicherbar – die Frage ist nur, zu welchem Preis und mit welchen Auflagen.“

Gleichzeitig kritisierten Makler die fehlende Geduld mancher Versicherer. Risikomaßnahmen bräuchten Zeit, doch Underwriting-Entscheidungen würden oft kurzfristig gefällt. Ein Beispiel: Ein Unternehmen installierte eine Photovoltaikanlage, wurde dafür zunächst positiv bewertet, wenige Jahre später kam jedoch die Forderung nach Sprinkleranlagen – trotz moderner Technik. Der Kunde reagierte verärgert.

Auch das Thema E-Ladestationen wurde kontrovers diskutiert. Während Behörden sie fördern, stufen manche Versicherer sie als unversicherbares Risiko ein. „Da prallen Welten aufeinander: gewerberechtliche Vorgaben auf der einen Seite, Underwriting-Vorgaben auf der anderen. Der Kunde steht ratlos da“, so ein Teilnehmer.

Verantwortung gegenüber Wirtschaft und Gesellschaft

Besonders intensiv wurde über die Verantwortung der Versicherer gesprochen. Die harte Haltung gegenüber bestimmten Branchen stößt auf Kritik – gerade dort, wo Nachhaltigkeitspolitik Investitionen fordert. Holz- und Recyclingwirtschaft sind Beispiele: Sie gelten als Schlüsselbranchen für die Kreislaufwirtschaft, sind aber kaum versicherbar.

„Nein sagen ist leicht. Aber damit gefährden wir ganze Industriezweige, die wir als Gesellschaft dringend brauchen“, lautete eine pointierte Einschätzung. Makler warnten zudem vor Dominoeffekten: Wenn Unternehmen keinen Versicherungsschutz mehr finden, drohen Banken ihre Kreditbereitschaft einzuschränken. Damit werde die Investitionsfähigkeit ganzer Branchen blockiert.

Rolle und Transformation der Makler

Die Maklerschaft sieht sich mitten in einer Transformation – weg vom klassischen Vermittler hin zum umfassenden Risikoberater. Viele Maklerhäuser haben eigene Risikoingenieure oder IT-Sicherheitsteams aufgebaut. „Unsere Aufgabe ist es, Risiken zu erklären, bevor sie überhaupt versichert werden“, berichtete ein Vertreter.

Zunehmend investieren Kunden Prämiengelder lieber in Prävention als in hohe Limits. Damit verschiebt sich die Rolle der Makler: weg vom Verkäufer von Deckungen hin zum Moderator eines Risikodialogs zwischen Kunde und Versicherer.

Fachkräftemangel: Engpass im Underwriting

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war der Personalmangel. Viele Versicherer haben in den vergangenen Jahren Personal verloren, erfahrene Underwriter fehlen. Ein Vorschlag war, systematisch stärker auszubilden, Lehrlings- und FH-Programme aufzusetzen und Quereinsteiger aus IT oder Technik einzubinden.

Gleichzeitig wurde betont, dass digitale Tools Standardprozesse abfedern müssen, damit Fachleute mehr Zeit für komplexe Risiken haben.

Kommunikation und Servicequalität

Kontrovers diskutiert wurde die Servicequalität der Versicherer. Viele Makler berichteten, dass es kaum mehr möglich sei, kompetente Ansprechpartner zu erreichen. Anträge würden anonym geprüft, ohne dass auf Details eingegangen werde. „Wir brauchen direkten Dialog. Persönliche Gespräche bringen Lösungen. Ein E-Mail-Krieg dagegen nur Frust“, so ein klares Statement.

Auch Versicherer bestätigten, dass Senior-Underwriter im Austausch mit erfahrenen Maklern die besten Ergebnisse erzielen.

Neue Lösungsansätze: Captives, Assekuradeure, Parametrik

Abschließend standen neue Lösungsansätze im Fokus. Captives gewinnen weltweit an Bedeutung, auch in Österreich entstehen neue Initiativen. Assekuradeure entwickeln branchenspezifische Modelle, die klassische Versicherer nicht abdecken wollen.

Parametrische Deckungen gelten als Hoffnungsträger, insbesondere bei Naturgefahren. „Wir wissen genau: Wenn ein Parameter überschritten ist, wird bezahlt. Das ist transparent und schafft Sicherheit“, erklärte ein Versicherungsmanager. Auch wenn die Umsetzung komplex ist, gilt Parametrik als Baustein für die Zukunft.

Conclusio: Dialog als Schlüssel

In der Schlussrunde wurden die Kernaussagen klar benannt: Kommunikation, Partnerschaft und Verantwortung sind entscheidend. „Wir müssen wieder mehr reden – und auch zuhören. Nur dann finden wir Lösungen“, lautete der Tenor.

Langfristige Partnerschaften anstelle kurzfristiger Platzierungen, frühzeitige Einbindung in Investitionsentscheidungen, konsequente Prävention und verstärkte Ausbildung sind die Faktoren, die den Markt stabilisieren können.

Ein Fazit brachte die Stimmung auf den Punkt: „Versicherung ist der Schmierstoff für Transformation und Investitionen. Damit dieser Motor läuft, braucht es Prävention, Transparenz, innovative Konzepte – und vor allem den Dialog.“

Teilnehmer des Roundtables

  • Daniel Berger (Vertriebsdirektor Deutschland und Österreich, Stoik GmbH)
  • Eduard Billovits (Country Manager Austria & CEE, AXA XL)
  • Josef Brindlinger, MLS (Geschäftsführender Gesellschafter Brindlinger Versicherungsmakler)
  • Jens Fischer (Leitung Underwriting Gewerbe & Industrie, Allianz)
  • ppa. Iva Herceg, LL.M. (WU) (Leitung Produktmanagement Individual, UNIQA – Corporate Business Österreich)
  • Norbert Jagerhofer (Geschäftsführer und Gerichtssachverständiger, Norbert Jagerhofer GmbH)
  • Dr. Hans-Georg Jenssen (Rechtsanwalt; ehem. geschäftsführender Vorstand BDVM)
  • Mag. Dr. Klaus Koban, MBA (Geschäftsführender Gesellschafter Koban Südvers Group GmbH; VÖVM-Präsident, Moderation)
  • Mag. Martin Moshammer (Leitung Niederlassung Österreich, ROLAND Rechtsschutz)
  • Dipl. Bw Andreas Schmitt (Vorstand Ressort Risiko- und Versicherungstechnik, GrECo)
  • Peter Tschemer (Leiter Rückversicherung und Underwriting Sach/Haft, Generali)
  • Franz Waghubinger (Herausgeber AssCompact; Geschäftsführer UVK Versicherungsmakler)

Hier geht's zum ersten Teil des Beitrages ...

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