Mit der Entscheidung 7 Ob 169/24i vom 19.02.2025 hat der Oberste Gerichtshof (OGH) prozentual bemessene Kreditbearbeitungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) als gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB (und damit unzulässig) qualifiziert. Diese Entscheidung hat in der Bankenbranche für Aufsehen gesorgt, bringt aber auch für Versicherungen und Vermittler wertvolle Erkenntnisse, etwa im Hinblick auf pauschale Abschlussgebühren, Bearbeitungspauschalen oder ähnliche Entgeltmodelle.
Artikel von:

Mag. Georg Wimmer
Versicherungsrechtsexperte bei KPMG Law – Buchberger Ettmayer Rechtsanwälte GmbH
AGB-Klauseln werden häufig einseitig vorgegeben und stehen nicht zur Verhandlung. Wenn einem Vertragspartner die AGB-Klauseln seines Gegenübers nicht passen, ist seine einzige Möglichkeit oftmals, den Vertrag nicht abzuschließen. Um das dadurch entstehende Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern auszugleichen, werden AGB-Klauseln – bei Bedarf – einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen. Einen Teil dieser Kontrolle bildet die sog. Inhaltskontrolle (§ 879 Abs 3 ABGB), ob eine Klausel „gröblich benachteiligend“ für einen Vertragspartner ist.
Noch im Jahr 2016 vertrat der OGH (6 Ob 13/16d) die Auffassung, dass Servicepauschalen Teil des vertraglichen Entgelts sind. Das Entgelt unterliegt als Hauptleistungspflicht eines Vertrages nicht der Inhaltskontrolle. Ob das Entgelt angemessen ist, regeln Wettbewerb und freier Markt und muss nicht von Gerichten überprüft werden. Diese Ansicht wurde jedoch durch die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und in der Folge durch mehrere Entscheidungen des OGH relativiert. Insbesondere die sogenannten „Fitnessstudio-Entscheidungen“ (4 Ob 59/22p, 9 Ob 94/22x) führten zu einem Paradigmenwechsel: Pauschalierte Zusatzentgelte können demnach der Inhaltskontrolle sehr wohl unterliegen, denn anders als das „Hauptentgelt“ rechnet der Vertragspartner oftmals nicht mit Zusatzentgelten. Diese können daher das Leistungsversprechen des AGB-Verwenders „aushöhlen“: man erhält zwar die gleiche Leistung, bezahlt aber mehr, als das „Hauptentgelt“ (zB: Zinsen, Prämie, Provision) einen glauben lässt.
Bereits im Frühjahr 2024 hat sich der OGH mit der Zulässigkeit von Kreditbearbeitungsgebühren auseinandergesetzt (2 Ob 238/23y). Damals wich der Gerichtshof allerdings einer Aussage zur gröblichen Benachteiligung aus und stellte die Unzulässigkeit ausschließlich aufgrund einer intransparenten Formulierung fest.
Die aktuelle Entscheidung: Prozentuale Kreditbearbeitungsgebühr unzulässig
In der aktuellen Entscheidung wurde erstmals ausdrücklich ausgesprochen, dass prozentual zur Kreditsumme berechnete Kreditbearbeitungsgebühren gröblich benachteiligend sind. Der OGH argumentiert, dass der mit einem Kredit verbundene Bearbeitungsaufwand unabhängig von der Kredithöhe in etwa gleichbleibe, jedenfalls aber nicht im gleichen Verhältnis steige wie die Kreditsumme. Wird bspw. 1 % Bearbeitungsgebühr verrechnet, würde dies bei einem Kredit in Höhe von 440.000 Euro eine doppelt so hohe Bearbeitungsgebühr bedeuten wie bei einem Kredit in Höhe von 220.000 Euro, ohne dass sich der Aufwand für die Bank verdoppeln würde.
Keine zeitliche Beschränkung – Rückforderungen möglich
Der OGH hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob die Folgen dieses Urteils lediglich für künftige Verträge gelten soll, oder auch für in der Vergangenheit abgeschlossene Verträge. Ergebnis: das Urteil wirkt auch für in der Vergangenheit abgeschlossene Verträge zurück. Das bedeutet, dass Kreditnehmer, die in der Vergangenheit prozentuale Kreditbearbeitungsgebühren bezahlt haben – soweit die Forderung nicht bereits verjährt ist – Rückerstattungsansprüche geltend machen können. Angesichts der gängigen Praxis vieler Banken, solche Gebühren zu verrechnen, drohen hier Rückforderungen in erheblichem Umfang.
Relevanz für andere Branchen
Obwohl sich das Urteil auf ein Kreditinstitut bezog, hat es weitreichende Bedeutung auch für andere Branchen, somit auch für die Versicherungswirtschaft und den Versicherungsvertrieb. Versicherer und Vermittler verwenden immer wieder pauschale Zusatzentgelte für bestimmte Leistungen – sei es in Form von Abschlusskosten, jährlichen „Servicepauschalen“ oder Bearbeitungsgebühren. Die in diesem Beitrag vorgestellte neue Rechtsprechung des OGH lässt sich als Maßstab für die rechtliche Zulässigkeit solcher Klauseln heranziehen.
Zentrale Kriterien, die sich aus der Judikatur ableiten lassen:
- Betroffen sind nur in AGB vereinbarte Zusatzentgelte. Das „Hauptentgelt“ (z.B. Prämie oder Provision) kann nicht gröblich benachteiligend sein.
- Eine zusätzliche Gebühr muss sich auf eine zusätzliche, konkret bestimmbare Leistung beziehen. Diese Leistung muss über das hinausgehen, was ohnehin vertraglich geschuldet wird. Beispielsweise argumentiert der OGH zu Kreditbearbeitungsgebühren, dass die „Bearbeitung“ des Kredits wohl ohnehin Teil der vertraglichen Pflichten der Bank ist, und dieser Aufwand in der Regel bereits durch die Zinsen abgegolten wird.
- Die Höhe einer pauschalen Gebühr muss in einem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand stehen. Pauschalierungen und Gewinnmargen sind zwar zulässig, nicht aber, wenn Entgelt und Aufwand in einem Missverhältnis zueinander stehen.
- Die Annahme, dass ein solches Entgelt „ohnehin üblich“ oder „branchenüblich“ sei, reicht zur Rechtfertigung nicht aus. Vielmehr ist eine nachvollziehbare Begründung erforderlich, warum die Gebühr erhoben wird – und weshalb gerade in dieser Höhe.
- Auch Versicherungen und Vermittler werden ihre Gebührenmodelle dahingehend untersuchen müssen, ob sie in ihren AGB Zusatzentgelte vereinbaren, und ob diese in einem angemessenen Verhältnis zu einem tatsächlichen zusätzlichen Aufwand stehen.
Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact Mai-Ausgabe!
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren