Beim heutigen Finlex Financial Lines Summit Austria 2025 wurde bereits im ersten Panel deutlich: Die Märkte für D&O- und Cyber-Versicherung stehen unter Druck – nicht nur durch steigende Schäden, sondern auch durch eine zunehmende Diskrepanz zwischen Risikoentwicklung und Marktverhalten. Ein hochkarätig besetztes Panel analysierte Ursachen, Strategien und Zukunftsoptionen.

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 05.06.2025
Düstere Lage, differenzierte Antworten
Die Diskussion eröffnete mit einleitenden Statements von Jana Dünkeloh (Head of Financial Lines & Cyber Zurich Gruppe Deutschland), Erik Aardalsbakke (Head of Financial Lines DACH AIG Europe S.A.) und Ivan Kecojevic (Underwriter Cyber Risks Markel Insurance SE). Übereinstimmend betonten alle drei die enge Verflechtung der Financial Lines mit geopolitischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Entwicklungen.
Dünkeloh sprach von einem „Spiegelbild der Makroökonomie“: Cyberkriminalität, Insolvenzwelle, ESG-Konflikte und politische Unsicherheiten prägten das Risiko- und Haftungsumfeld massiv – mit zunehmender Frequenz und Schärfe. „Die zunehmende Regulierung – etwa durch NIS 2 – führt zu neuen persönlichen Haftungsszenarien, während KI zugleich Tätern wie Unternehmen neue Werkzeuge liefert.“
Aardalsbakke ergänzte: „Wir befinden uns in einem weichen Markt, aber nicht, weil das Risiko sinkt – sondern weil der Wettbewerb Prämien drückt.“ Aktuelle Großschäden – etwa bei der Bremer Greensill Bank oder Marks & Spencer – zeigten, dass sich auch in Europa ein Gefahrenpotenzial aufbaue, das bislang eher aus den USA bekannt war. Die wirtschaftliche Gesamtlage, insbesondere in Österreich, spitze die Situation zusätzlich zu.
Kecojevic warnte vor einer gefährlichen Entwicklung: „Wir haben es mit einem Preiswettbewerb zu tun, der risikoseitig nicht gedeckt ist.“ Einzelgroßschäden seien zwar verkraftbar, eine Häufung könne jedoch schnell zu einer Verhärtung im Markt führen.
Der gefährlichste Ort: Die Mitte
Besondere Aufmerksamkeit galt der Segmentbetrachtung: Während Großrisiken professionell „managbar“ seien und Kleinbetriebe mit einfachen Lösungen bedient werden könnten, zeige sich die mittlere Unternehmensgröße als Risikozone. Dünkeloh bezeichnete sie als „tödliche Mitte“ – Unternehmen mit 50 bis 500 Mio. Euro Umsatz, oft ohne ausreichende IT-Sicherheit, aber mit hohen Exponierungen. Kecojevic bestätigte: „Hier sind Angriffspunkte vorhanden, aber die Präventions- und Schutzmaßnahmen noch nicht ausgereift. Und bei knappen Margen ist wenig Spielraum für Sicherheitsinvestitionen.“
Gleichzeitig seien genau diese Segmente im Visier der Angreifer – zunehmend auch bei Cyber: weniger geschützt, aber digitalisiert genug, um lohnende Ziele darzustellen.
Digitalisierung als Hoffnungsträger – aber nicht ohne Hausverstand
Angesprochen auf zukünftige Entwicklungen im Underwriting, sahen alle Diskutanten in KI und Automatisierung ein zentrales Innovationsfeld – allerdings mit Grenzen. Dünkeloh: „Scans und KI-Tools können bei kleinen Risiken Prozesse vereinfachen, aber die Einschätzung komplexer Risiken braucht den Menschen – und Hausverstand.“ Aardalsbakke verwies auf ein eigenes AI-Kompetenzzentrum mit über 600 Mitarbeitenden, während Kecojevic von konkreten Pilotprojekten berichtete, bei denen KI bereits eigenständig Angebote generiere – aktuell noch validiert durch Underwriter. Einig war man sich: Der Mix aus Technologieeinsatz und menschlicher Risikokompetenz wird entscheidend sein, um künftig effizient und treffsicher zu zeichnen.
Vertrauensschaden: unterschätzt und missverstanden
Dann rückten weniger beachtete Sparten in den Fokus – insbesondere die Vertrauensschadenversicherung. Dünkeloh betonte deren Relevanz als Teil eines „klassischen Financial-Lines-Dreiklangs“ mit D&O und Cyber: „Nicht Misstrauen ist die Basis, sondern Risikomanagement. Gerade im KMU-Segment werden viele existenzielle Schäden durch Mitarbeiterdelikte unterschätzt.“ Einigkeit herrschte darüber, dass VSV – besonders in Kombination mit Cyber-Deckungen – stärker kommuniziert und vertrieblich positioniert werden sollte. Während im Bankenbereich dieses Produkt besser verwurzelt ist, sei es für viele Marktteilnehmer weiterhin „ein unbekanntes Wesen“.
Über die Veranstaltung
Die Diskussion bildete den Auftakt des Financial Lines Summit Austria 2025, der zum zweiten Mal im k47.wien stattfand. Durch den Tag führte Peter Loisel (Country Head Finlex Austria). Die Veranstaltung setzt auf ein interaktives Format, das bewusst vom klassischen Frontalvortrag abrückt: Live-Umfragen, offene Fragen an das Publikum und direkte Reaktionen aus dem Plenum machen den Dialog greifbar und praxisnah.
Bereits die Begrüßung durch Loisel und Sebastian Klapper (CEO Finlex) machte klar: „Wir diskutieren hier auf Augenhöhe – mit Blick auf das, was den Markt heute und morgen bewegt.“ Am Nachmittag stehen praxisorientierte Fachimpulse im Fokus: Themen wie Cyber-Schadenmanagement, rechtliche Aspekte rund um NIS 2, die Rolle externer IT-Dienstleister sowie aktuelle Herausforderungen in der D&O- und Cyber-Versicherung aus Maklersicht werden vertieft behandelt. Renommierte Expertinnen und Experten aus Recht, Technik und Vertrieb gestalten die Panels – erneut im interaktiven Format.
Foto oben v.l.n.r.: Erik Aardalsbakke, Head of Financial Lines DACH AIG Europe S.A., Jana Dünkeloh, Head of Financial Lines & Cyber Zurich Gruppe Deutschland, Peter Loisel, Country Head Finlex Austria, und Ivan Kecojevic Underwriter Cyber Risks Markel Insurance SE
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