Eine Liegenschaft ging nach dem Tod des Eigentümers schrittweise durch Erbschaft, Erbschaftskauf und Erbteilungsübereinkommen auf die Tochter über. Sie kündigte den bestehenden Versicherungsvertrag nach § 70 Abs 2 VersVG – der Versicherer wies dies zurück. Der OGH musste klären, ob in diesem Fall ein Erwerberkündigungsrecht besteht. (Ob 5/25y)
Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Zwischen einem Ehepaar und einem Versicherer bestand ein Sachversicherungsvertrag für eine Liegenschaft. Die Ehegatten waren je zur Hälfte Eigentümer der versicherten Liegenschaft. Der Ehegatte verstarb am 24.05.2022. Die hinterbliebene Ehegattin war mit einem Drittel (= 3/9), die drei Töchter waren mit je 2/9 als gesetzliche Erben berufen.
Mit einem Übergabsvertrag vom 16.09.2022 erwarb eine Tochter den Hälfteanteil ihrer hinterbliebenen Mutter an der Liegenschaft. Dadurch wurde diese Tochter Hälfteeigentümerin.
Später, am 27.06.2023, erwarb diese Tochter durch einen „Erbschaftskauf“ die 3/9-Anteile ihrer hinterbliebenen Mutter an der Verlassenschaft ihres Vaters, wodurch sie – zusätzlich zu ihrer eigenen Erbquote von 2/9 – zu 5/9 zur Erbin berufen war. In einem „Erbübereinkommen“ vom 28.09.2023 mit ihren Schwestern, die Miterbinnen zu je 2/9 waren, übernahm die eine Tochter die verbleibenden Liegenschaftsanteile gegen eine Zahlung und wurde somit Alleineigentümerin der Liegenschaft.
Die Tochter kündigte daraufhin am 23.10.2023 den Sachversicherungsvertrag, gestützt auf § 70 Abs 2 VersVG. Sie argumentierte, dass sie durch den Erwerb des Eigentums an der Liegenschaft ein solches Kündigungsrecht erworben habe. Der Versicherer lehnte die Kündigung ab. Der Fall landete schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH), vor welchem die Tochter die Feststellung begehrte, dass der Versicherungsvertrag infolge ihrer Kündigung nicht mehr besteht.
Wie ist die Rechtslage?
§ 70 Abs 2 VersVG, der ein Kündigungsrecht bei Veräußerung einer versicherten Sache vorsieht, lautet auszugsweise wie folgt: „Der Erwerber ist berechtigt, das Versicherungsverhältnis zu kündigen; […]. Das Kündigungsrecht erlischt, wenn es nicht innerhalb eines Monates nach dem Erwerb ausgeübt wird; […]“.
Der OGH führte in seiner Entscheidung vom 19.03.2025, Geschäftszahl: 7 Ob 5/25y, zunächst aus, dass § 70 Abs 2 VersVG nur bei einer sogenannten Einzelrechtsnachfolge zur Anwendung kommt. Der Erwerb von Vermögenswerten im Wege der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge falle hingegen nicht unter diese Regelung.
Im vorliegenden Fall erwarb die Tochter zunächst den Hälfteanteil ihrer Mutter durch einen Übergabsvertrag. Bei einem solchen Erwerbsvorgang handle es sich zwar um eine Einzelrechtsnachfolge. Dies allein begründe allerdings kein Kündigungsrecht, da dieses erst bei einem Erwerb im Sinne des § 70 VersVG von mehr als 50% der Anteile zusteht. Die restlichen Anteile an der Liegenschaft erwarb die Tochter durch den „Erbschaftskauf“ und das „Erbübereinkommen“. Nach Ansicht des OGH sind diese Akte als Gesamtrechtsnachfolge zu qualifizieren, weshalb der Tochter auch kein Kündigungsrecht zukam.
Schlussfolgerungen
Das Kündigungsrecht nach § 70 Abs 2 VersVG gilt ausschließlich für die Einzelrechtsnachfolge, also beispielsweise bei Kauf- und Übergabsverträgen. Eine analoge Anwendung auf die Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Erbschaft scheidet aus, da die zugrundeliegende Interessenlage und der Zweck der Regelung – der Schutz des freiwillig eintretenden Erwerbers – bei einer Erbschaft nicht gegeben sind.
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