Die aktuellen Beiträge der Serie „Rechtsschutz im Fokus“ beleuchten die Abgrenzungen einzelner Rechtsschutzbausteine bzw. Risikobereiche zueinander. Die Baustein-Struktur der Besonderen Bestimmungen der ARB mit jeweils eigenen (z.T. auch mehreren) primären Risikobeschreibungen pro Baustein i.V.m. sog. Deckungsabgrenzungsausschlüssen sorgt – dies wurde in den vergangenen Beiträgen bereits erwähnt – für eine durchaus beachtliche Komplexität in der Frage der Zuordnung eines Sachverhaltes zu einem Baustein. Infolge der doch zahlreichen Rechtsschutz-Bausteine treten Deckungsabgrenzungen in der Rechtschutzversicherung daher in durchaus mannigfaltigen Ausprägungen zutage.
Artikel von:
Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA
Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien
Im Mittelpunkt des aktuellen Beitrags steht – bezogen auf ein Verwaltungsstrafverfahren – die Frage der Abgrenzung zwischen einem Betriebs-Rechtsschutz und dem Fahrzeug-Rechtsschutz anhand eines konkreten Falls, der bereits vor vielen Jahren an die Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) herangetragen worden ist. Die VN, eine Transportfirma, verfügte über einen Fuhrpark von 72 LKWs und war rechtsschutzmäßig sehr umfangreich abgesichert … dies jedoch nicht bei einem Rechtsschutz-Versicherer, sondern bei zwei:
- Beim Rechtsschutzversicherer A bestand eine Betriebsrechtsschutzversicherung unter Einschluss von Schadenersatz- und Strafrechtsschutz für den Betriebsbereich;
- beim Rechtsschutzversicherer B hatte die VN eine Fuhrparkversicherung (Fahrzeug-Rechtsschutz mit Fahrzeug-Vertrags-Rechtsschutz) abgeschlossen.
Die ARB des Fuhrpark-Rechtsschutzversicherers B beschrieben (hinsichtlich des hier interessierenden Teils) den Versicherungsschutz im Straf-Rechtsschutz dahingehend, dass diesen „der Versicherungsnehmer für alle betrieblich und privat genutzten Motorfahrzeuge zu Lande sowie Anhänger …“ hat (Artikel 17 ARB).
Die ARB des Betriebs-Rechtsschutzversicherers A beschrieben den Versicherungsschutz im Betriebsbereich für „Versicherungsnehmer für den versicherten Betrieb und alle Arbeitnehmer im Sinne des § 51 ASGG für Versicherungsfälle, die mit dem Betrieb oder der Tätigkeit für den Betrieb unmittelbar zusammenhängen oder auf dem direkten Weg von und zur Arbeitsstätte eintreten.“
Dazu kam jedoch noch ein Deckungsabgrenzungsausschluss, wonach zur Vermeidung von Überschneidungen mit anderen Rechtsschutz-Bausteinen … der Versicherungsschutz keine Fälle umfasst, „welche beim Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen in ihrer Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Zulassungsbesitzer, Leasingnehmer oder Lenker von Motorfahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft sowie Anhängern eintreten …“ (Artikel 19 ARB).
Die ARB-Passagen beider Rechtsschutzversicherer entsprechen im Wesentlichen typischen, sich an den Muster-ARB orientierenden Bedingungen, sind somit in der Praxis durchaus üblich.
Was war passiert? Welcher Sachverhalt war zu beurteilen?
Handels- und gewerberechtliche Geschäftsführerin der Transport-GmbH war Frau X. Der Arbeitnehmer Y hatte mit der GmbH eine Vereinbarung über seine Bestellung zum sog. verantwortlichen Beauftragten (als Teil seines Dienstvertrages) getroffen.
Damit wurde er zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG, insb. hinsichtlich der Einhaltung folgender Rechtsmaterien bestellt: „Straßenverkehrswesen (insbesondere StVO und Nebengesetze sowie Führerscheingesetz); Kraftfahrwesen (insbesondere KFG und Nebengesetze); Güterbeförderungswesen und Gefahrengutbeförderungswesen (insbesondere Güterbeförderungsgesetz und Nebengesetze und Gefahrengutbeförderungsgesetz und Nebengesetze); Arbeitszeitwesen (insbesondere Arbeitszeitgesetz und Nebengesetze); Arbeitsrecht (insbesondere Ausländerbeschäftigungsgesetz und Nebengesetze); Gewerbewesen (insbesondere Gewerbeordnung und Nebengesetze) …“
Über diesen Arbeitnehmer Y wurde eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z erlassen: Er habe es als Verantwortlicher der Transport-GmbH unterlassen, dafür Sorge zu tragen, dass der Zustand bzw. die Ladung des genannten Kfz den Vorschriften des Kraftfahrzeuggesetzes entspricht. Konkret ging es um Überladung, mangelnde Reifen-Profiltiefe und nicht ordnungsgemäße Sicherung des Ladegutes. Das Fahrzeug selbst wurde an diesem Tag nicht von Arbeitnehmer Y, sondern einem anderen Mitarbeiter der Transport-GmbH gelenkt.
Beide Rechtsschutzversicherer lehnen die Kostendeckung ab
Der Betriebs-Rechtsschutzversicherer A lehnte die Deckung mit der Begründung ab, dass es sich bei diesem Strafverfahren um ein „Kfz-bezogenes Strafverfahren“ handeln würde;
der Kfz-Rechtsschutzversicherer des Fuhrparks B lehnte die Kostenübernahme mit dem Argument ab, dass ein Versicherungsfall vorliegen würde, der dem Betriebsbereich zuzuordnen wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Kfz-Rechtsschutzversicherer B bietet Schutz für Lenker, Halter oder Zulassungsbesitzer sowie den berechtigten Passagier. Der Versicherungsschutz ist jedoch nicht auf den verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG ausgeweitet. Die Deckung gemäß Artikel 17 ARB bezieht sich hauptsächlich auf Risiken im Zusammenhang mit dem Betrieb oder der Verwendung des Fahrzeugs. Da der verantwortliche Beauftragte nicht direkt am Verkehrsvorgang beteiligt war, sondern nur indirekt über seinen Arbeitsvertrag mit der Transport-GmbH, scheidet der Kfz-Rechtsschutzversicherer B aus. Die Bestrafung gemäß § 9 VStG betrifft Personen, die eine direkte Verantwortung für den Fuhrpark haben, beeinflusst jedoch nicht den Versicherungsschutz gemäß Kfz-Strafrechtsschutzversicherung. Da der verantwortliche Beauftragte Y zum versicherten Personenkreis des Betriebs-Rechtsschutzversicherers A gehört, ist dieser für die Kostendeckung verantwortlich.
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