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Deckungsabgrenzungen in der Rechtsschutzversicherung – Einleitung

(Bild: ©sdecoret - stock.adobe.com)

Deckungsabgrenzungen in der Rechtsschutzversicherung – Einleitung

22. Februar 2024

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Die „hohe Kunst“ der Zuordnung rechtlicher Auseinandersetzungen zum richtigen Rechtsschutz-Baustein.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

Die Besonderen Bestimmungen der ARB sind von einer Baustein-Struktur geprägt, wobei jeder Baustein einen eigenen Rechts-/Risikobereich darstellt und beschreibt: Fahrzeug-Rechtsschutz, Lenker-RS, Schadenersatz-RS, Straf-RS, Arbeitsgerichts-RS etc. Dies verlangt insb. zur Beurteilung eines Schadenfalls in der Praxis nach einer korrekten Zuordnung einer rechtlichen Auseinandersetzung zum jeweiligen Baustein – ein Unterfangen, das sich mitunter nicht einfach gestaltet bzw. oftmals Fragen aufwirft, deren Beantwortung nicht selten vor dem OGH oder der RSS landet. Die kommenden Beiträge der Serie „Rechtsschutz im Fokus“ sollen sich daher mit ausgewählten Themen- und Problemstellungen der Deckungsabgrenzung einzelner Bausteine zueinander beschäftigen. Den Anfang macht eine einleitende allgemeine Darstellung des Themas …

Allgemeines

Die ARB unterteilen sich – jedenfalls in den üblichen Standard-Produkten/-Bedingungen – üblicherweise in

  • Allgemeine Bestimmungen (i.d.R. Artikel 1 – 16 ARB), die etwa die Festlegung des Versicherungsfalls, den zeitlichen Geltungsbereich, allgemeine Obliegenheiten und allgemeine Risikoausschlüsse und dgl. regeln sowie in
  • Besondere Bestimmungen (i.d.R. Artikel 17 ff ARB), die letztlich eine Aneinanderreihung von diversen Rechtsschutz-Bausteinen darstellen. Diese beschreiben einzelne versicherbare Rechts- bzw. Risikobereiche.

Der OGH beschreibt dies etwa wie folgt: „[…] wird im ersten Teil der ARB […], und zwar in den für alle Rechtsschutzversicherungsarten gemeinsamen Bestimmungen der Art 1 bis 16 die Grundlage des Rechtsschutzversicherungsvertrages sowie Fragen, die für alle versicherbaren Risken von Bedeutung sind, behandelt, wobei auf Abweichungen in den besonderen Bestimmungen jeweils hingewiesen wird […]. Demgegenüber enthalten die besonderen Bestimmungen in den Art 17 bis (Anmerkung: dem gegenständlichen OGH-Fall zugrundeliegenden Bedingungen: Art) 25 ARB die sogenannten ‚Rechtsschutzbausteine‘, die jeweils die Eigenschaften und Rechtsgebiete, für die Versicherungsschutz besteht, beschreiben. Ergänzt wird diese Bestimmung in den einzelnen Bausteinen durch spezifische Obliegenheiten, Risikoausschlüsse oder Wartefristen. Angeboten werden diese Rechtsschutzbausteine teils einzeln, teils in Form von Rechtsschutzkombinationen (‚Paketen‘), deren Zusammensetzung im Tarif geregelt ist“ (vgl. OGH 7 Ob 65/97b).

Darüber hinaus stellt der OGH i.d.Z. in stRspr. klar, dass die Rechtsschutzversicherung „wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit des Prozesskostenrisikos“ nur Teilgebiete abdeckt und eine universelle Gefahrenübernahme in Österreich nicht gebräuchlich ist (keine All-Risk-Kostendeckung. Vgl. z.B. OGH 7 Ob 178/00b; 7 Ob 268/01i; 7Ob193/14d).

Eigene Risikobeschreibung(en) pro Rechtsschutz-Baustein

Jeder einzelne Rechtsschutz-Baustein enthält seine eigene primäre Risikobeschreibung, sodass zunächst zu prüfen ist, ob ein konkreter Schadenfall (= eine konkrete rechtliche Auseinandersetzung) unter diese Risikobeschreibung subsummiert werden kann.

Deckungsabgrenzungen bzw. Deckungsabgrenzungsausschlüsse

Die Subsummierung eines Rechtsstreites unter einen Rechtsschutz-Baustein ist zur Bestimmung des Versicherungsschutzes zwar der erste und ein wichtiger Schritt, im Kontext der Rechtsschutz-Bausteine aber nicht der einzige: Abgesehen davon, dass die Anwendung bausteinspezifischer Risikoausschlüsse (z.B. Anspruchsobergrenze im Allgemeinen Vertrags-RS für den Betriebsbereich) und die Einhaltung bausteinspezifischer Obliegenheiten (wie etwa die Alkoholklausel im Fahrzeug-RS) zu prüfen sind, kommen diverse Deckungsabgrenzungen ins Spiel, die in die Baustein-Zuordnung eingreifen. Die Risikobeschreibung enthält also – wenn man so will – die grundsätzliche Zuordnung; Deckungsabgrenzungen nehmen jedoch bestimmte Teile von diesem Grundsatz aus und ordnen die rechtliche Auseinandersetzung einem anderen Baustein zu. Der OGH meint dazu: „Deckungsabgrenzungsausschlüsse haben im Gegensatz zu den Risikoausschlüssen im engeren Sinn nur die Aufgabe, bestimmte Risiken aus einem Baustein auszugliedern, um sie einem anderen zuzuordnen. (RIS-Justiz RS0134040) Diese Systematik in der Zuordnung eines Rechtsstreits zu einem bestimmten Baustein macht die Bestimmung des Versicherungsschutzes oftmals sehr komplex.

Wie für viele andere Rechtsschutz-(Teil-)Bereiche gilt auch hier, dass es einer genauen Prüfung bedarf, um die korrekte Zuordnung zu einem Baustein zu ermöglichen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist insb. dafür entscheidend, ob

  • das Risiko, für das Kostenübernahme begehrt wird, überhaupt rechtsschutzmäßig versicherbar ist, oder ob eine nicht versicherbare Gefahr vorliegt, weil die Auseinandersetzung u.U. in keinem Baustein Platz findet, sowie
  • welcher konkrete Versicherungsfall Anwendung findet. Artikel 2 ARB listet nämlich unterschiedliche Versicherungsfall-Definitionen auf (z.B. Ereignistheorie, Verstoßtheorie, …), deren konkrete Anwendung ursächlich davon abhängig ist, welcher konkrete Rechtsstreit vorliegt.

Ganz allgemein rate ich bei dieser Gelegenheit zur Fragestellung: „Wer will was aus welchem Rechtsgrund?“ Kann diese Frage beantwortet werden – oftmals ist die besondere Herausforderung in der Praxis die Suche nach dem konkreten Rechtsgrund – dann ist man der Beurteilung des Versicherungsschutzes i.d.R. einen großen Schritt näher gekommen …

Die kommenden Beiträge der Serie „Rechtsschutz im Fokus“ werden sich konkreten Abgrenzungsthemen des Schadenersatz-RS, des Fahrzeug-RS, des Allgemeinen Vertrags-RS etc. widmen und zur praxisgerechten Illustration einschlägige Beispiele aus der Spruchpraxis des OGH und der RSS aufzeigen.

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Februar-Ausgabe!

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