Eine Betriebshaftpflichtversicherung soll Mehrkosten in Höhe von rund 50.000 Euro ersetzen, die nach der Sanierung fehlerhafter Medizinschränke entstanden sind. Obwohl der Versicherungsvertrag Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche ausdrücklich ausschließt, macht die Versicherungsnehmerin „Rettungskosten“ nach § 62 VersVG geltend – und argumentiert mit der Abwehr eines drohenden Millionenschadens. (7Ob23/25w)
Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Versicherer besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag. Die zugrunde liegenden Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004 und EHVB 2004) lauten auszugsweise wie folgt:
„Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung:
Artikel 7
Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)
1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 fallen insbesondere nicht
1.1 Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;[...]
1.3 die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;[...]“
Die Versicherungsnehmerin war mit der Planung, Fertigung und Montage von medizintechnischen Funktionsmöbeln für Operationssäle beauftragt. Nach der Montage stellte sich heraus, dass die Schränke nicht den technischen Anforderungen an Stabilität und Tragfähigkeit entsprachen. Konkret kippten Schubläden bei Belastung heraus, da die verwendeten Bleche fehlerhaft gestanzt waren. Um eine Stilllegung der Operationssäle zu vermeiden, vereinbarte die Versicherungsnehmerin mit der Auftraggeberin eine Sanierung (Ersatz der fehlerhaften Komponenten) und einen neuen Fertigstellungstermin. Dadurch entstanden ihr Mehrkosten in der Höhe von EUR 49.860,00, welche die Versicherungsnehmerin von ihrer Betriebshaftpflichtversicherung forderte. Dabei vertritt sie die Ansicht, dass durch die Sanierung aufgrund der neuen Vereinbarung mit der Auftraggeberin schwerwiegende Folgeschäden abgewehrt worden ist. Durch Vertragsstrafen und die drohende Sperre der Operationssäle wäre demnach ein Schaden von rund 3 Mio EUR entstanden. Der geltend gemachte Betrag stelle daher „Rettungskosten“ im Sinne von § 62 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) dar, die der Versicherer zu ersetzen habe.
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 19.03.2025, Aktenzeichen 7Ob23/25w, führte der OGH zunächst aus, dass gem. § 62 VersVG der Versicherungsnehmer verpflichtet ist, bei Eintritt des Versicherungsfalls den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er habe unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz der Rettungskosten durch den Versicherer. Rettungskosten müssen dem Zweck dienen, den versicherten Schaden zu vermeiden. Unter den Begriff Rettungskosten fallen daher nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte. Nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen Ausgaben, die „sowieso“, also ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme erwachsen wären. Unvorhergesehener Mehraufwand für die eigene Vertragserfüllung ist nicht als Rettungskosten zu qualifizieren.
Der OGH kommt daher zu dem Ergebnis, dass die Kosten für die Verbesserung der gelieferten Möbel einen Mehraufwand zur Erfüllung einer eigenen – nun modifizierten – vertraglichen Verpflichtung darstellen. Sie fallen nach Ansicht des OGH unter den Risikoausschluss nach Art 7.1.3 AHVB, der Schäden im Zusammenhang mit der (auch nachträglich vereinbarten) Erfüllung ausschließt, auch wenn durch die Reparatur Vertragsstrafen und Folgeschäden vermieden worden sind. Der geltend gemachte Mehraufwand diente nicht primär zur Abwehr von Folgeschäden, sondern zur Erfüllung einer (nachverhandelten) Leistungsverpflichtung.
Schlussfolgerungen
Der Aufwand zur Erfüllung einer (auch neuen bzw. modifizierten) Vereinbarung ist nicht dem Zweck der Schadensvermeidung im versicherten Sinne zuzurechnen. Rettungskosten im Sinne des § 62 VersVG müssen objektiv zur Abwendung eines versicherten Schadens dienen. Unvorhergesehene Mehraufwände zur Vertragserfüllung sind explizit keine Rettungskosten.
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