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Winterreifenpflicht und KFZ Versicherung

Winterreifenpflicht und KFZ Versicherung

04. November 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Für Pkw, Pkw mit leichtem oder schwerem Anhänger und für Klein-Lkw gilt vom 1. November bis 15. April eine witterungsabhängige Winterausrüstungspflicht. Unabhängig von einer Winterreifenpflicht kann die KFZ Versicherung bei Fahren ohne ausreichende Bereifung leistungsfrei sein.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 11/4/2021

Für die KFZ Haftpflichtversicherung sind die Bestimmungen zur Gefahrerhöhung relevant: Als Erhöhung der Gefahr im Sinn der §§ 23 Abs 1 und 27 Abs 1 VersVG sind alle Umstände anzusehen, derentwegen das Fahrzeug dem KFG oder den aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht entspricht und derentwegen eine weitere Verwendung des Fahrzeuges die Verkehrssicherheit gefährdet, sofern das Fortbestehen dieser Umstände auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist. Eine Gefahrerhöhung liegt nur dann vor, wenn der Zustand eine gewisse Dauer erreicht bzw. auf eine gewisse Dauer angelegt ist. Bei einer einmaligen unter gefahrdrohenden Umständen durchgeführten Fahrt liegt idR noch keine Gefahrerhöhung vor. Die Weiterverwendung eines wegen abgefahrener Reifen nicht mehr verkehrssicheren KFZ stellt eine Gefahrerhöhung dar; eine grobe Fahrlässigkeit kann bereits darin liegen, dass der KFZ-Halter zwei Monate lang der Bereifung seines Fahrzeugs keine Beachtung schenkt.

Rechtsfolgen einer Gefahrerhöhung in der KFZ Haftpflichtversicherung:

Ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung dem VN gegenüber ganz oder teilweise frei, so bleibt gleichwohl seine Verpflichtung gegenüber den Geschädigten bestehen. Soweit der Versicherer den Geschädigten befriedigt, geht die Forderung des Geschädigten gegen den VN auf ihn über. Der Versicherer hat einen Regressanspruch gegenüber dem Versicherten. Die Höhe des Regresses ist beschränkt mit 11.000 Euro bei 1 Obliegenheitsverletzung / Gefahrerhöhung; 22.000 Euro bei zwei oder mehr Obliegenheitsverletzungen / Gefahrerhöhungen

Der Versicherte kann bei Vorliegen einer Gefahrerhöhung den Kausalitätsgegenbeweis antreten oder mangelndes Verschulden beweisen.

Auch in der KFZ Kaskoversicherung kann der Versicherer Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung einwenden. Allerdings schlägt die Leistungsfreiheit – anders als in der KFZ Haftpflichtversicherung – voll zu. Ein Limit für die Leistungsfreiheit gibt es in der Kaskoversicherung nicht.

Zusätzlich gibt es in der Kaskoversicherung einen Leistungsausschluss, wenn der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Dieser Ausschluss wird z.T. bei bestimmten Versicherungsprodukten zumindest teilweise aufgehoben. Hier zwei interessante Urteile zum Thema grobe Fahrlässigkeit im Zusammenhang mit unzureichender Bereifung:

OGH 7 Ob 205/20b:

Der Kaskoversicherer ist wegen Gefahrenerhöhung leistungsfrei, weil die Profiltiefe der hinteren beiden Reifen nur mehr rund 2,2mm war, sodass davon auszugehen ist, dass keine hinreichend betriebssichere Bereifung vorliegt. Wie sich aus § 25 Abs 2 Satz 1 VersVG ergibt, genügt jeder Grad schuldhaften Verhaltens des VN, also bereits leichte Fahrlässigkeit. Der VN bestreitet nicht, dass ihm der nicht mehr betriebssichere Zustand der Hinterreifen bekannt sein musste. Der VN hat seinen Wohnsitz, der Versicherer seinen Sitz in Österreich. Die Parteien des Kaskoversicherungsvertrags vereinbarten zusätzlich die Anwendung österreichischen Rechts. Ohne Fehlbeurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kaskoversicherungsvertrag österreichische Vorschriften zugrunde zu legen sind. Für die Gefahrenerhöhung ist damit allein die sehr deutliche Unterschreitung der Mindestprofiltiefe von 4 mm (nur 2,2 mm auf der Hinterachse) bei winterlichen Fahrbahnverhältnissen maßgeblich. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es darauf, dass sich der Unfall in Deutschland ereignete und nach den dortigen Vorschriften bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte lediglich die Verwendung von Winterreifen mit einer Mindestprofiltiefe von 1,6 mm vorgeschrieben war (§ 2 Abs 3a Satz 1 [deutsche] Straßenverkehrs-Ordnung; § 36 Abs 3 Satz 4 [deutsche] Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), nicht ankomme, ist damit nicht korrekturbedürftig.

AG Papenburg (Deutschland) 20 C 322/15:

Der VN fuhr am Morgen des 17. Jänner gegen 05:00 Uhr mit seinem Fahrzeug mit Sommerreifen. Zum Unfallzeitpunkt lag die Temperatur am Unfallort bei 1,8 Grad und die relative Luftfeuchtigkeit bei 87,1 %. Es sind weder Schnee noch Regen gefallen. Der VN kam von der Fahrbahn ab, geriet in den Seitenraum neben der Straße und prallte mit seinem Fahrzeug gegen einen Baum. Unter Berücksichtigung dieser Wetterverhältnisse dürfte es geboten gewesen sein, mit Winterreifen zu fahren und die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen. Ein objektiv verkehrswidriges Verhalten liegt daher durchaus nahe. Neben einem objektiv grob verkehrswidrigen Verhalten setzt „grobe Fahrlässigkeit“ aber auch subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus, was hier aber nicht gegeben ist: Ein solches subjektives Verschulden lässt sich nicht bereits aus den Angaben des VN im Unfallfragebogen herleiten. Zwar hat der VN die Frage nach den Straßenverhältnissen mit „Glatteis“ beantwortet. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass er bereits während der Fahrt vor dem eigentlichen Unfall wusste bzw. damit gerechnet hat, dass Glatteis auf der Straße herrscht. Es ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände vielmehr davon auszugehen, dass es sich letztlich um Vermutungen des VN zur Unfallursache handelt, die er im Nachhinein angestellt hat. So heißt es etwa zum Unfallhergang: „Bin mir nicht sicher wie – entweder Eis oder ich bin von der Straße abgekommen“. Auch im Rahmen der persönlichen Anhörung hat der VN dazu nachvollziehbar erklärt, bei der Angabe „Glatteis“ handele es sich eben um eine Vermutung von ihm. Er sei sich keinesfalls sicher gewesen und habe dies durch diese Eintragung im Bericht auch nicht zum Ausdruck bringen wollen. Er könne auch heute nicht sicher sagen, warum er von der Straße abgekommen sei. Eine grob fahrlässige Herbeiführung des Unfalls bei einer Fahrt mit Sommerreifen im Winter liegt also nicht vor, wenn der VN beim Fahrtantritt nicht mit Eisglätte rechnet.

Man muss also unterscheiden, ob der Versicherer in der KFZ Haftpflicht oder in der Kaskoversicherung Leistungsfreiheit einwendet. Die Ablehnungsgründe und Rechtsfolgen einer Ablehnung sind unterschiedlich ausgestaltet. Jeder Einzelfall sollte genau geprüft werden.

Quelle: versdb SCHADENANALYSE

Autor: Ewald Maitz, MLS – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild:© Robert Kneschke - stock.adobe.com

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