Ein Versicherungsnehmer gab gemeinsam mit zwei weiteren Personen widerstreitende Erbantrittserklärungen ab. Nur der Versicherungsnehmer war rechtsschutzversichert. Nach dem verlorenen Erbrechtsstreit wurde er solidarisch mit einem nicht versicherten Mitantragsteller zur Kostenzahlung verpflichtet. Der Rechtsschutzversicherer lehnte die volle Kostendeckung ab und zahlte nur anteilig. (7 Ob 132/25z)
Artikel von:
Mag. iur. Bernd Föttinger
Rechtsanwaltsanwärter bei Dr. Erich Bernögger und Jurist bei AssCompact Österreich
Der Versicherungsnehmer war mitversicherte Person in einem Rechtsschutzversicherungsvertrag.Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2017) zugrunde, welche auszugsweise wie folgt lauten:
„Artikel 6 Welche Leistungen erbringt der Versicherer? […]
6. Der Versicherer zahlt
6.3. im Zivilprozess auch die Kosten der Gegenseite, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Zahlung verpflichtet ist; […]
7. Die Leistungspflicht des Versicherer ist begrenzt wie folgt:
7.8. Erfolgt die Wahrnehmung rechtlicher Interessen für versicherte und nicht versicherte Personen in einem Verfahren oder in verbundenen Verfahren, so trägt der Versicherer die Kosten anteilig. […]
Artikel 26 Rechtsschutz für Erbrecht […]
2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen vor österreichischen Gerichten aus dem Bereich des Erbrechts. In Verfahren zur Entscheidung über widersprechende Erbantrittserklärungen (§§ 161 ff Außerstreitgesetz) besteht Versicherungsschutz auch in 1. Instanz."
In einem Verlassenschaftsverfahren gaben drei Personen widerstreitende Erbantrittserklärungen ab, wobei jeder behauptete, Alleinerbe zu sein. Nur der Versicherungsnehmer war rechtsschutzversichert, der dritte Antragsteller hingegen nicht. Das Verlassenschaftsgericht stellte die Erbberechtigung des ersten Antragstellers fest und verpflichtete den Versicherungsnehmer und den dritten Antragsteller zur ungeteilten Hand, dem Erstantragsteller die Verfahrenskosten zu ersetzen. Der Versicherer zahlte nur die Hälfte der Kosten erster Instanz (abzüglich Selbstbehalt) und lehnte die Zahlung der weiteren Hälfte ab. Der Versicherungsnehmer klagte auf volle Deckung und argumentierte, er sei aufgrund der solidarischen Haftung zur Zahlung der gesamten Kosten verpflichtet, weshalb der Versicherer nach Art 6.6.3. ARB die gesamten Kosten tragen müsse.
Rechtliche Beurteilung des OGH
In seiner Entscheidung vom 22.10.2025, Geschäftszahl 7 Ob 132/25z, führte der OGH zunächst aus, dass nach Art 6.6.3. ARB der Versicherer im Zivilprozess die Kosten der Gegenseite zahlt, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Zahlung verpflichtet ist. Wird der Versicherungsnehmer durch eine gerichtliche Kostenentscheidung zum Kostenersatz verpflichtet, sind die betreffenden Kosten grundsätzlich vom Versicherer zu tragen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kostenersatzanspruch richtig bemessen wurde. Auch eine unrichtige Kostenentscheidung führt zur Verpflichtung des Versicherers. Die solidarische Haftung gemeinsam mit einer nicht versicherten Person ändert daran nichts.
Zusätzlich ist jedoch Art 6.7.8. ARB zu beachten. Diese Bestimmung regelt, dass der Versicherer die Kosten nur anteilig trägt, wenn in einem Verfahren rechtliche Interessen für versicherte und nicht versicherte Personen wahrgenommen werden. Die Klausel soll verhindern, dass der Versicherer vom Gericht auferlegte Kosten zur Gänze tragen muss, wenn nur ein Teil der Verfahrensparteien versichert ist. Von Art 6.7.8. ARB sind nicht nur die eigenen Rechtsanwaltskosten, sondern auch die zu tragenden Kosten der Gegenseite nach Art 6.6.3. ARB erfasst.
Der OGH stellte klar, dass Art 6.7.8. ARB nicht auf die Wahrnehmung gemeinsamer rechtlicher Interessen beschränkt ist, sondern auch bei Wahrnehmung unterschiedlicher oder widerstreitender Interessen zur Anwendung gelangt. Für den Versicherer kann es nur schwer vorhersehbar sein, ob die Beteiligung weiterer Personen an zu deckenden Zivilverfahren stattfindet und welche Interessen diese verfolgen. Art 6.7.8. ARB dient gerade der Vermeidung dieser für den Versicherer nicht überschaubaren und kalkulierbaren Kostenbelastung.
Im vorliegenden Erbrechtsstreit gaben der Versicherungsnehmer sowie die zwei weiteren Antragsteller jeweils widerstreitende Erbantrittserklärungen ab. Somit erfolgte eine Wahrnehmung jeweils eigener rechtlicher Interessen. Die gerichtliche Kostenentscheidung, die eine solidarische Haftung ausspricht, entfaltet für die Frage der anteiligen Kostentragung nach Art 6.7.8. ARB keine Bindungswirkung. Der Versicherer hat daher nur die Hälfte der gegnerischen Kosten zu tragen.
Conclusio
Selbst wenn ein Versicherungsnehmer aufgrund einer gerichtlichen Kostenentscheidung solidarisch mit nicht versicherten Personen haftet, beschränkt sich die Deckungspflicht des Versicherers auf den anteiligen Kostenersatz. Dies gilt insbesondere in Erbrechtsstreitigkeiten, bei denen mehrere Personen widerstreitende Erbantrittserklärungen abgeben. Die Klausel über die anteilige Kostentragung greift unabhängig davon, ob die Beteiligten gemeinsame oder widerstreitende Interessen verfolgen.
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren












