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Obliegenheiten in der Rechtsschutzversicherung – Teil 3

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Obliegenheiten in der Rechtsschutzversicherung – Teil 3

18. Dezember 2023

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5 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Die Rechtsschutzversicherung ist von der Spezialität geprägt, dass die Höhe des „Schadens“ im Zeitpunkt der Schadenmeldung noch nicht feststeht; erst durch die konkrete Wahrnehmung der rechtlichen Interessen – sei es außergerichtlich oder gerichtlich bzw. verwaltungsbehördlich – entwickeln sich sukzessive die Kosten der Rechtsvertretung der Höhe nach. Dies ist mit ein Grund, warum die Rechtsschutzversicherung neben den klassischen Schadenmeldungs- und Aufklärungsobliegenheiten eine Reihe von ganz spezifischen Abstimmungsobliegenheiten kennt. Auch dabei handelt es sich um sekundäre Obliegenheiten.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

Abstimmungsobliegenheit allgemein

Nach den ARB ist der VN regelmäßig dazu verpflichtet, vor Ergreifung von Maßnahmen zur Wahrnehmung rechtlicher Interessen die Bestätigung des Versicherungsschutzes durch den Versicherer einzuholen (vgl. z.B. Art. 8.1.1.3. Muster-ARB 2015). Der Versicherer soll dadurch in die Lage versetzt werden, Art und Umfang seiner Leistungspflicht frühzeitig und genau überprüfen zu können (vgl. z.B. OGH 7 Ob 40/14d).

Spezielle Abstimmungs- und Warteobliegenheiten in Zivilsachen

Für die Geltendmachung und Abwehr zivilrechtlicher Ansprüche bestehen weitere, spezielle Abstimmungs-„Pflichten“ (vgl. z.B. Art. 8.1.5. Muster-ARB 2015), um den Besonderheiten der zivilrechtlichen Interessenwahrnehmung, wie etwa dem gegenseitigen Parteivorbringen, Rechnung zu tragen:

Abstimmungsobliegenheit (i.S.d. Art. 8.1.5.2. Muster-ARB 2015)

Zunächst ist der VN dazu angehalten, vor der gerichtlichen Geltendmachung oder Abwehr von Ansprüchen oder vor der Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung die Stellungnahme des Versicherers zur Notwendigkeit der Maßnahme einzuholen. Nach Artikel 6 ARB übernimmt der Rechtsschutz-VR bekanntlich ausschließlich Kosten, die für die rechtliche Interessenwahrnehmung „notwendig“ sind; die vom VN gewünschten bzw. durchzuführenden rechtlichen Maßnahmen sind daher daraufhin zu prüfen, ob diese zweckentsprechend sind, aussichtsreich sind und nicht mutwillig erhoben werden.

Darüber hinaus normieren die ARB in diesem Zusammenhang regelmäßig auch die Obliegenheit, Vergleiche mit dem Versicherer abzustimmen. Auch diese Regelung korreliert mit einer ARB-Bestimmung zur Kostenübernahme durch den RS-VR: Nach Art 6.4. (Muster-)ARB übernimmt nämlich der Versicherer bei einem Vergleich die Kosten ausschließlich in dem Ausmaß, das dem Verhältnis des Obliegens zum Unterliegen entspricht.

Beispiel: Angenommen, der Versicherungsnehmer klagt einen Betrag von 10.000 Euro ein und vergleicht sich dann mit seinem Prozessgegner auf die Hälfte, also 5.000 Euro, so dringt er damit zu 50% seines ursprünglichen Begehrens durch.

Im Sinne des Verhältnisses des Obsiegens zum Unterliegen (also 50%) hat der RS-VR 50% der Kosten (grundsätzlich gesamten Verfahrenskosten, also der eigenen Vertretungskosten, der gegnerischen Kosten, der Gerichtsgebühren, etc.) zu tragen. In der Praxis läuft dies meist darauf hinaus, dass jede Prozesspartei die Kosten der eigenen Rechtsvertretung übernimmt (≈˜ 50% der gesamten Prozesskosten; der Einfachheit halber vernachlässigen wir für dieses Beispiel die Gerichtsgebühren und dgl. und gehen davon aus, dass die Vertretungskosten auf beiden Seiten ident sind).

Würde der VN einem derartigen Vergleich (Kapital 5.000 Euro anstatt der zunächst eingeklagten 10.000 Euro) zustimmen, sich gleichzeitig jedoch bereit erklären, nicht nur die eigenen, sondern auch die gegnerischen Kosten zu übernehmen, so würde dies nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen; der VR müsste die über dieses Verhältnis hinausgehenden Kosten bedingungsgemäß nicht übernehmen.

In der Praxis wird also der VN (bzw. sein Rechtsvertreter) ein hinreichendes Interesse daran haben (müssen), sich vor dem Vergleich oder zumindest vor der Rechtskraft eines Vergleichs mit dem Versicherer abzustimmen.

Warteobliegenheit

Den ARB zufolge soll der VN unter Umständen mit der eigenen rechtlichen Interessenwahrnehmung noch zuwarten bzw. vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend machen (vgl. z.B. Art 8.1.5.3. Muster-ARB 2015). Konkret sehen die ARB i.d.R. vor, dass der VN

a) vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens (insb. eines Musterverfahrens), das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, abwartet sowie

b) vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend macht und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückstellt.

Beispiel (aus der Literatur): Der VN wird geklagt und macht in diesem (Passiv-)Verfahren compensando-Forderungen geltend. Wenn das Verfahren kurz vor dem Abschluss steht (und keine Verjährung seiner Ansprüche droht), dann wird der VN im Sinn der Warteobliegenheit angehalten sein, seine Ansprüche (zu diesem Zeitpunkt) in einem weiteren Verfahren nicht aktiv geltend zu machen.

Wichtig: Die Warteobliegenheit darf zu Lasten des VN nicht überspannt werden und ist stets einzelfallbezogen zu beurteilen. Die Einhaltung dieser Obliegenheit darf die Interessen des VN keinesfalls unbillig beeinträchtigen (siehe z.B. OGH 7 Ob 109/11x). Vor allem dann, wenn Verjährung seiner Ansprüche droht, wird man dem VN ein weiteres Zuwarten nicht mehr abverlangen können.

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Jänner-Ausgabe!

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