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Obliegenheiten in der Rechtsschutzversicherung – Teil 2

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Obliegenheiten in der Rechtsschutzversicherung – Teil 2

01. Dezember 2023

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4 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Im letzten Teil zum Thema „Obliegenheiten in der Rechtsschutzversicherung“ wurde Grundlegendes zu den Rechtsschutz-spezifischen Obliegenheiten erläutert und die Schadenmeldungs- bzw. Aufklärungsobliegenheit einleitend beschrieben. Nach neuerer Rechtsprechung unterscheidet der OGH in diesem Zusammenhang insbesondere danach, ob der Rechtsschutzversicherungsvertrag noch aufrecht oder bereits beendet (und die Nachmeldefrist abgelaufen) ist. Diese Differenzierung ist für die Frage der Unverzüglichkeit der Meldung des Versicherungsfalls in der Praxis von immenser Bedeutung, sodass im Folgenden näher darauf eingegangen werden soll.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

Unverzügliche Schadenmeldung bei aufrechtem Rechtsschutzversicherungsvertrag: § 33 VersVG gilt nur eingeschränkt

Wie bereits im letzten Beitrag zu den Obliegenheiten beschrieben, gilt i.S.d. Judikatur des OGH die gesetzliche Regelung des § 33 VersVG, die eine Obliegenheit zur unverzüglichen Schadenmeldung statuiert, bei aufrechtem Rechtsschutzversicherungsvertrag nur eingeschränkt: Der VN hat den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall, sondern nur dann zu unterrichten, wenn er aufgrund eines Versicherungsfalls Versicherungsschutz „begehrt“ (siehe dazu z.B. OGH 7 Ob 206/19y = versdb 2020, 35). Der OGH meint in stRspr also, dass der VN den Versicherungsfall erst dann (unverzüglich) zu melden hat, wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen. Das bedeutet i.S.d. OGH, dass sich die rechtliche Auseinandersetzung derart konkretisiert haben muss, dass der VN mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss und deshalb seinen Rechtsschutzversicherer in Anspruch nehmen will (siehe zB auch OGH 7 Ob 140/16p bzw RIS-Justiz RS0105784 [T6]).

Unverzügliche Schadenmeldung bei bereits beendetem Rechtsschutzversicherungsvertrag: OGH ist deutlich strenger

Ist der Rechtsschutzversicherungsvertrag jedoch bereits beendet (und auch die Nachmeldefrist, die regelmäßig mit Artikel 3 ARB vereinbart wird und in der Praxis oftmals zwei Jahre im Anschluss an die Vertragsbeendigung beträgt, bereits abgelaufen), ist der OGH wesentlich strenger:

Der VN ist in diesen Fällen angehalten, alle Versicherungsfälle dem Versicherer tatsächlich unverzüglich zur Kenntnis zu bringen; ja mehr noch: Der OGH verlangt folgendes: „Ist ein Rechtsstreit in der Zukunft absehbar, ist der Versicherer sofort davon in Kenntnis zu setzen“ (OGH 7 Ob 31/20i = versdb 2020, 37).

Die Begründung, die der OGH für diese strengere Sichtweise liefert, überzeugt meines Erachtens nicht und hat diverse Kritik in der Literatur hervorgerufen (siehe etwa Gisch, versdb print, Ausgabe 7, 04/2021; Maitz, versdb print, Ausgabe 6, 10/2020); der OGH meint nämlich, dass der Rechtsschutz-VR den Versicherungsvertrag bereits „abgerechnet“ hätte und er nach Ablauf der Nachmeldefrist mit weiteren Schadenfällen nicht mehr rechnen würde/brauche. Diese Ansicht des Höchstgerichts ist meines Erachtens allein schon im Hinblick auf die Solvabilitäts-Pflichten der Versicherer über die Regeln zu den versicherungstechnischen Rückstellungen als Schadenreserven bzw. Spätschadenreserven nicht korrekt (siehe im Detail etwa die Ausführungen bei Gisch, ARB-Online-Kommentar, Artikel 8 ARB, versdb). Dazu kommt: Der OGH hat der Branche mit dieser sehr „harten“ Linie einen echten Bärendienst erwiesen, denn

  • weder sind Rechtsschutz-Versicherer i.d.R. daran interessiert, mit Schadenmeldungen, in denen „ein Rechtsstreit in der Zukunft absehbar“ ist, überhäuft zu werden, zumal sich viele dieser Fälle letztlich wohl nicht als kostenauslösende Rechtsstreitigkeiten herausstellen werden und der Versicherer dennoch vorab internen Aufwand betreiben muss,
  • noch ist es dem (durchschnittlich verständigen) VN wohl zuzumuten, seriös abzuschätzen, wann ein Rechtsstreit tatsächlich „absehbar“ ist; dazu bräuchte der VN bisweilen geradezu hellseherische Fähigkeiten…

Dennoch: Trotz der berechtigten Kritik scheint diese Judikaturlinie des OGH – jedenfalls bis auf Weiteres – in Stein gemeißelt zu sein, sodass man sich in der Praxis daran zu orientieren hat.

Hier geht’s zum 1. Teil des Beitrages …

Den gesamten Beitrag lesen Sie in der AssCompact Dezember-Ausgabe!

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