Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte gegen einen Krankenversicherer wegen einer Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Geschlechtsumwandlungen generell vom Versicherungsschutz ausschließt. Der Versicherer verteidigte die Klausel damit, dass sie geschlechtsneutral formuliert sei und alle Versicherungsnehmer gleich behandle (7 Ob 58/25t).
Artikel von:
Mag. iur. Bernd Föttinger
Rechtsanwaltsanwärter bei Dr. Erich Bernögger und Jurist bei AssCompact Österreich
§ 1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankenkosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB 2005) lauten auszugsweise wie folgt:
[...]2.1. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten (Mitversicherten) wegen Krankheit und Unfallsfolgen. [...]
2.4. Als Versicherungsfall gelten nicht:
- kosmetische Behandlungen und Operationen und deren Folgen, soweit diese Maßnahmen nicht der Beseitigung von Unfallsfolgen dienen sowie Geschlechtsumwandlungen; [...]
Der VKI begehrte die Unterlassung dieser Klausel sowie die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung. Er argumentierte, die Klausel verstoße gegen § 1c VersVG, der Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts verbiete. Der Versicherer entgegnete, die Klausel betreffe jeden Versicherungsnehmer unabhängig vom Geschlecht und sei daher nicht diskriminierend.
Rechtliche Beurteilung des OGH
Der Oberste Gerichtshof bestätigte in seiner Entscheidung die Rechtswidrigkeit der Klausel.
Der OGH führte zunächst aus, dass § 1c VersVG – als Umsetzung der europäischen Unisex-Richtlinie – ein absolutes und umfassendes Verbot der Geschlechterdiskriminierung normiert. Während der Wortlaut der Bestimmung nur "Männer und Frauen" nennt, ist sie nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verfassungsgerichtshofs unter Beachtung unions- und grundrechtlicher Vorgaben auch auf transgender und intersexuelle Personen anzuwenden. Das in Art 8 EMRK verankerte Recht auf geschlechtliche Identität schützt nicht nur die Geschlechter "Mann" und "Frau", sondern auch Menschen, die sich keiner dieser Kategorien zuordnen.
Der OGH qualifizierte die Klausel als mittelbare Diskriminierung im Sinne des § 32 Abs 2 GlBG. Zwar sei die Klausel geschlechtsneutral formuliert und schließe vordergründig jeden Versicherten vom Versicherungsschutz für Geschlechtsumwandlungen aus. In Wahrheit diskriminiere sie jedoch transgender und intersexuelle Personen, da eine Geschlechtsumwandlung nur bei dieser Personengruppe infrage kommt. Bei Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem ihnen bei der Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt, könne dieser Versicherungsfall nicht zum Tragen kommen. Die Klausel nehme transgender und intersexuellen Personen daher die Möglichkeit, eine medizinisch notwendige Geschlechtsumwandlung mit Kostendeckung durchzuführen.
Der Versicherer hatte keine sachliche Rechtfertigung für die mittelbare Diskriminierung dargelegt. Die Klausel verstößt somit gegen § 1c VersVG in Verbindung mit § 32 Abs 2 GlBG und ist unwirksam.
Conclusio
Der OGH stellt klar, dass pauschale Risikoausschlüsse für geschlechtsangleichende Maßnahmen – auch bei medizinischer Notwendigkeit und Krankheitswert – gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Das Geschlechterdiskriminierungsverbot erfasst nicht nur die binären Geschlechter Mann und Frau, sondern auch transgender und intersexuelle Personen. Versicherer dürfen keine Klauseln verwenden, die diese Personengruppe vom Versicherungsschutz für medizinisch notwendige Behandlungen ausschließen. Die Entscheidung verpflichtet Versicherer zur Anpassung bestehender Bedingungswerke.
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