Nachhaltigkeit steht in der Versicherungsbranche immer stärker im Mittelpunkt. Eine aktuelle GrECo-Studie zeigt, dass 70% der Versicherer ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) in ihre Risiko- und Preisgestaltung integrieren oder dies in naher Zukunft tun wollen. Klimarisiken und soziale Verantwortung, wie die Wahrung der Menschenrechte, sind dabei zentrale Themen.

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 23.01.2025
Sabine Bradac, Studienautorin und Risk Consultant bei GrECo:
"Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern ein Muss – nicht zuletzt, weil ab diesem Jahr viele Unternehmen gemäß CSRD-Richtlinie berichtspflichtig werden. Versicherer erkennen zunehmend die Vorteile, die ESG-Kriterien in der Risikobewertung und Produktgestaltung bieten. Unternehmen, die ihre ESG-Risiken aktiv steuern, können sowohl Risiken minimieren als auch von besseren Vertragskonditionen der Versicherer profitieren."
Klimarisiken stellen für 69% der Versicherer die größte Herausforderung dar. Diese umfassen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Stürme, Hitzewellen oder andere extreme Wetterereignisse, die durch den Klimawandel häufiger und intensiver auftreten. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, setzen 80% der Versicherer auf moderne Modellierungstechniken, die eine detaillierte Analyse von Klimarisiken ermöglichen und helfen, deren potenzielle Auswirkungen besser vorherzusagen.
Harald Ketzer, Studienautor bei GrECo:
"Das Bewusstsein für Klimarisiken ist deutlich gestiegen. Versicherer gehen proaktiver vor, indem sie Unternehmen nicht nur zu Präventionsmaßnahmen ermutigen, sondern diese auch finanziell fördern. Die Versicherbarkeit hängt stark von der Branche ab: Besonders hoch ist der Einfluss der ESG-Kriterien bei Energieerzeugung, Abfallwirtschaft oder energieintensiven Industrien wie Stahl und Kunststoff."
Zusätzlich bieten 69% der Versicherer Unterstützung, um Unternehmen bei der Risikominimierung zu helfen. Genauso viele gewähren in solchen Fällen Prämiennachlässe, und rund die Hälfte bietet reduzierte Selbstbehalte an.
Digitalisierung: 100% setzen auf digitale Services
Die Digitalisierung ist ein entscheidender Faktor für die Schadenbearbeitung. 100% der befragten Versicherer investieren in digitale Services, um die Schadenabwicklung effizienter und transparenter zu gestalten. Parametrische Versicherungen, die auf klar definierten Schadensparametern basieren, gewinnen immer mehr an Bedeutung – Künstliche Intelligenz in der Schadenabwicklung befindet sich hingegen noch in den Anfängen, bietet aber großes Potenzial für beschleunigte Prozesse.
Nachhaltige Produktinnovationen: Reparaturen und E-Mobilität im Fokus
Die Umfrage zeigt auch erste Fortschritte bei nachhaltigen Versicherungsprodukten. So fördern 80% der Versicherer Reparaturen statt Neukauf, um die Lebenszyklen von Produkten zu verlängern. Zudem bieten 50% finanzielle Anreize für E-Mobilität, um den Umstieg auf umweltfreundliche Fahrzeuge zu fördern, obwohl Elektrofahrzeuge aufgrund höherer Reparaturkosten ein größeres Risiko darstellen. Ein neuer Trend ist die sogenannte „Build-Back-Better“-Deckung, mit der 25% der Versicherer die Dekarbonisierung der Wirtschaft unterstützen, indem sie die Mehrkosten für den Wiederaufbau mit geringerem CO2-Footprint übernehmen.
Transparenz bei ESG-Daten: Potenzial für Verbesserungen
Obwohl ESG-Analysen immer wichtiger werden, erfassen nur etwa 20% der Versicherer spezifische ESG-Daten von versicherten Unternehmen. Die restlichen 80% verlassen sich auf Branchenbewertungen. Nur 5% führen eigene ESG-Ratings und Carbon-Footprint-Abschätzungen durch.
Über die Studie
Die GrECo ESG-Umfrage 2024 basiert auf Interviews mit 16 führenden Versicherern in Österreich sowie Zentral- und Osteuropa. Sie untersucht, wie ESG-Kriterien in die Risikobewertung einfließen, welche nachhaltigen Produkte entstehen und welche Anforderungen Risiko- und Versicherungsberater künftig erfüllen sollten.
Foto oben: Harald Ketzer, Studienautor bei GrECo, und Sabine Bradac, Studienautorin und Risk Consultant bei GrECo
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