Der österreichische Versicherungsmaklermarkt steht an einem Wendepunkt: Konsolidierung, Betriebsnachfolgen und neue Geschäftsmodelle verändern das Kräfteverhältnis. Gleichzeitig prägt eine neue Generation junger VermittlerInnen das Geschäft – digitaler und mit anderen Erwartungen an Produktgeber und Prozesse. Im Rahmen des AssCompact Trendtags 2025 am 9. Oktober in der Pyramide Wien/Vösendorf diskutierten Birgit Wieser (HMV/Hafner & Partner), Josef Graf (EFM), Tobias Warweg (GGW Group) und Thomas Litschauer (IGV) über Konsolidierung, Unternehmenskultur, Nachfolge und die Rolle der jungen Generation. Moderiert wurde die Runde von Franz Waghubinger.

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 13.10.2025
Moderator Franz Waghubinger eröffnete die Podiumsdiskussion mit einer klaren Skizzierung der beiden zentralen Trends, die die Branche derzeit prägen: Generationenwechsel und Marktkonzentration. Damit stellte er die Leitfrage des Nachmittags: Wer übernimmt – und wer bündelt?
Die Diskussion machte deutlich, dass es weniger um Gegensätze als um Balance geht – zwischen Unternehmertum und System, Freiheit und Skalierung, Tradition und Technologie.
Junge Generation: Selbstbestimmt, serviceorientiert – und technologieoffen
Mag. Birgit Wieser (HMV/Hafner & Partner) steht exemplarisch für eine neue Unternehmergeneration, die Selbstbestimmung als zentrales Motiv begreift.
„Für mich wäre ein Angebot derzeit überhaupt nicht relevant, weil ich möchte selbst meine Ziele abstecken. Ich möchte selbst bestimmen, was in meinem Unternehmen passiert“, sagte Wieser.
Der Unterschied zwischen den Generationen liege weniger im Was als im Wie: Heute gehe es um digitale Servicequalität, Transparenz und Erreichbarkeit. KI-Tools, Messenger-Kommunikation und effiziente Prozesse seien keine Bedrohung, sondern Werkzeuge, um Kundennähe zu sichern. Wieser betonte, dass sich Unternehmertum und Familie vereinbaren lassen – ein Signal an den Nachwuchs, dass Freiheit und Diversität zusammenpassen.
Kapital und Marke: Motoren der Veränderung
Josef Graf, Vorstand der EFM Versicherungsmakler AG, brachte die Perspektive eines gewachsenen Netzwerks ein.
„Es tut dem Wert der einzelnen Makler gut, dass solche Milliardenunternehmen reinströmen und damit auch den Wert, wie bei Immobilien, einfach ein wenig nach oben treiben.“
Während Kapitalzuflüsse Bewertungen steigen lassen, sieht Graf für Versicherer wenig Reiz in einer stärker konzentrierten Maklerschaft. Parallel verschiebe sich der Markt zu großen Marken. „Da werden am Schluss fünf große Marken da sein, die wie im Handel den Markt dominieren“, so Graf. Sein Erfolgsrezept: Professionalisierung im Privatkundengeschäft und Spezialisierung im Gewerbe- und Industriegeschäft.
Kapazität schlägt Größe: Warum Maklergruppen entstehen
Tobias Warweg, Geschäftsführender Gesellschafter der GGW Group, rückte die Angebotsseite in den Fokus. „Die Versicherer sind der alleinige Grund, dass es uns gibt“, erklärte Warweg.
Kosten- und Prozessreduktion bei den Gesellschaften hätten zu Engpässen geführt – Makler bräuchten Kooperation, um mittelständische Kunden effizient zu betreuen. Die GGW Group setze auf unternehmerische Kultur statt Konzernhierarchie: „Wir sind ein Zusammenschluss von mittelständischen Maklern, die sich gegenseitig unterstützen und voneinander profitieren.“
Jede Integration erfolge individuell mit den bestehenden Führungsteams. Das Modell basiere auf Autonomie, Eigentum und IT-Unterstützung, um Kapazitäten über Ländergrenzen hinweg zu sichern. Seine Prognose: weniger Versicherer, mehr Konsolidierung – aber weiterhin Platz für spezialisierte Betriebe.
Kooperation statt Verdichtung: IGV über Nachfolge, IT und Aufnahme
Thomas Litschauer, Geschäftsführer der IGV Österreich, stellte klar, dass Konsolidierung nicht mit Verdichtung gleichzusetzen sei.
„Wir stehen nicht für Verdichtung. Wir sind kein Investmentmodell, sondern eines, welches wachsen will“, sagte Litschauer.
Der Verband setze bei Nachfolgefragen auf interne Strukturen, finanzstarke Partner und gezielte Unterstützung der Mitglieder. Besonders hervor hob er den technologischen Fortschritt: „Wir wickeln mittlerweile über 80.000 dunkelverarbeitete Anträge mit unseren Versicherungspartnern ab.“ Trotz Wachstum bleibe die IGV offen für neue Mitglieder. Es gebe keinen Aufnahmestopp – entscheidend sei Kooperation auf Augenhöhe.
Marke, IT, Kultur: Drei Weggabelungen der Zukunft
Im Verlauf kristallisierten sich drei zentrale Themen heraus – Marke, IT und Kultur –, die die Entwicklung der nächsten Jahre prägen werden.
Bei der Markenbildung stehen sich unterschiedliche Philosophien gegenüber: Während Graf auf starke Systemmarken setzt, betont Warweg die Vielfalt unternehmerischer Kulturen. Litschauer sieht in Verbänden die Chance, Unabhängigkeit trotz Größe zu bewahren. Für Wieser bleibt entscheidend, dass Marke und Struktur der Kundennähe nicht im Weg stehen.
Auch bei der IT herrschte Einigkeit über deren Bedeutung. Litschauer brachte es auf den Punkt: „Nicht immer kann sich die IT jedem individuellen Wunsch beugen – Standardisierung schafft Freiraum für Beratung.“ Warweg ergänzte, dass IT und KI zentrale Enabler seien, die gemeinschaftlich genutzt werden müssten. Graf setzt auf Prozess- und IT-Exzellenz, Wieser nutzt KI-Tools gezielt im Kundendienst, um Servicequalität und Effizienz zu verbinden.
Nachfolge und Unternehmenskultur als Schlüsselfaktoren
Beim Thema Nachfolge und Kultur wurde klar, dass es keine Einheitslösung gibt. Warweg beschreibt ein Modell, in dem lokale Führung und Mitunternehmerschaft Hand in Hand gehen. Graf kombiniert Beteiligung und Übergabe, um flexible Optionen zu schaffen. Litschauer organisiert Nachfolgen innerhalb des Verbandes – mit Fokus auf Unabhängigkeit. Wieser steht für ein neues Rollenverständnis: Unternehmerisch, selbstbestimmt und offen für neue Formen der Zusammenarbeit.
Damit wird deutlich: Die Zukunft des Maklermarkts hängt nicht allein von Kapital und Technologie ab, sondern von Haltung, Kooperation und Mut zur Eigenständigkeit.
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