Gerhard Kofler, Schadenberater, Fachberater in Versicherungsangelegenheiten, IDD-Bildungsträger und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für die Feuer-, Feuer-BU-, Haftpflicht- und Unfallversicherung, über die aktuell großen Herausforderungen der Versicherungsbranche: Inflation, Ukrainekrieg, Pandemie, Lieferengpässe, Facharbeitermangel, Cyberkriminalität etc.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 10/25/2022
„Die für Unternehmen in diesem Zusammenhang neu entstandenen Herausforderungen verlagern sich direkt in die Abwicklung von Schadenfällen und zwar in allen Bereichen“, sagt Gerhard Kofler. Die Auswirkung sieht er im Liquiditätsverlust der Unternehmer infolge eines zu klein gewordenen Versicherungsschutzes. Massive und nicht versicherte Teuerungen binnen weniger Monate sägen an den Nerven der versicherten Unternehmer. In der Betriebsunterbrechungsversicherung sei beispielsweise verstärkt darauf zu achten, dass die durch Lieferengpässe vergrößerten Unterbrechungszeiten versichert sind.
„Im Kleinschadenbereich erfahre ich fallweise die mangelnde Bereitschaft von Fachfirmen, neben einer mündlichen Kostenauskunft einen schriftlichen Kostenvoranschlag für die Sanierung von Kleinschäden auszufertigen, es läuft nach dem Motto ‚take it or leave it!‘. Die Schadenabwicklung gerät dadurch ins Stocken“, erzählt Kofler und berichtet weiter, dass die vom Versicherer beauftragten Gutachten bezüglich der Leistungsverpflichtung des Versicherers zum Evangelium werden, obwohl in den Versicherungsbedingungen die reale Wiederherstellung geschuldet ist. In mittlerweile vielen Schadenfällen gebe es, so Kofler, Schwierigkeiten, eine tatsächliche Wiederherstellung zu ortsüblichen Preisen innerhalb des Rahmens der erstellten Gutachten zu realisieren.
Gewerbe und Industrie: „Der Versicherungsschutz wächst aus der Polizze heraus“
Das größte und neu entstandene Risiko für Gewerbe und Industrie sieht Kofler darin, dass der Versicherungsbedarf aus der Polizze herauswächst: „Unzureichende Versicherungssummen, ebenso unzulängliche Haftungszeiten bei Betriebsunterbrechungsversicherungen oder rasante Preissteigerungen zwischen Schadentag und Wiederherstellung bringen den versicherten Unternehmer in starke Bedrängnis. Das ist der Punkt, wo in deutlich höherer Frequenz ein Versicherungsschutz auf Standfestigkeit geprüft werden muss. Es wird nicht einfacher, sondern komplizierter. Gut dass es den Versicherungsmakler gibt.“
Der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten muss, laut Kofler, die fachgerechte Schließung von Deckungslücken veranlassen oder zumindest soweit reparieren, als es der Versicherungsmarkt zulässt. Die Herausforderung dabei sei, diese Deckungslücken auszumachen: „Der gute Industrie- und Gewerbeversicherer zeichnet sich durch die Mitwirkung aus, Lösungsansätze des Versicherungsmaklers in einen individuellen Versicherungsschutz zu gießen. Die Zeiten sind längst vorbei, wo der Vermittler Versicherungsprodukte verkauft, ohne zu bedenken, dass der Versicherungsvertrag auch langlebig sein soll, ist der Versicherer doch auch ein Unternehmer.“
„Die Arbeit des Versicherungsmaklers ist wie ein chirurgischer Eingriff“
Wichtig für den Vermittler sei, dass er die immer komplizierter werdende Materie des Versicherungsrechts so beherrscht, dass er auf neue Gegebenheiten – wie zum Beispiel neue für den Versicherungsnehmer nachteilige Deckungsformulierungen zu erkennen und im Einzelfall auf Relevanz zu prüfen – entsprechend reagieren kann: „Die Arbeit des Versicherungsmaklers ist wie ein chirurgischer Eingriff mit dem am Versicherungsmarkt vorhandenen Besteck. Haftungsrisiken sind somit evident.“
Beachtenswert erscheint Kofler der Umstand, dass unterschiedlicher Inhalt von Zusatzdeckungen vorliegt trotz gleicher Überschrift: „Damit ist eine Polizzenkontrolle nicht mehr mit einer schnellen Durchsicht zu bewerkstelligen. Der Versicherungsmakler sollte zu konkret geäußerten Deckungswünschen des Versicherungsnehmers vermehrt eine Klarstellung vom Versicherer einholen, ohne dass eine ‚was-wäre-wenn-Anfrage“‘ an den Versicherer gestellt wird, der solche Anfragen sowieso nicht beantworten will – zu Recht meine ich. Denn auf allgemeine Anfragen kann es keine präzise Auskunft geben.“
Versicherungssummen und Sublimits: „So hoch wie möglich, nötigenfalls mit höheren Selbstbehalten“
Zum Thema Versicherungssummen und Sublimits rät Kofler: „So hoch wie möglich, nötigenfalls mit höheren Selbstbehalten. Wenn der Geschäftsführer einer Produktions-GmbH sein Haftungsrisiko mit 2 Mio. Euro absichert und keine Erhöhung der Versicherungssumme in Betracht zieht, währenddessen das Zweitauto, welches meistens in der Garage steht, mit einer Deckungssumme von 20 Mio. Euro ausgestattet ist, wird der Versicherungsmakler mit einer Risikoanalyse und entsprechenden risiko- und haftungstechnischen Argumenten das Ergebnis geradezu umdrehen. Ich hatte mal so einen Fall und es kam auch so.“
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