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„Viele gehen mit persönlichem Datenschatz extrem leichtfertig um“

„Viele gehen mit persönlichem Datenschatz extrem leichtfertig um“

15. Januar 2020

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Was bedeutet die Digitalisierung für Arbeits- und Privatleben? Darüber sprechen Univ.-Prof. Dr. Reinhold Popp (r.), Zukunftsforscher an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien und Nick Sohnemann (l.), MBA, Gründer & Managing Director der FUTURE CANDY GMBH, im Interview* mit AssCompact.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 1/15/2020

Mit welchen Eindrücken der aktuellen digitalen Entwicklung blicken Sie in die Zukunft – wie sieht die Welt in zehn bis 20 Jahren aus?

Reinhold Popp: Die allzu vielen wissenschaftsfernen Zukunfts- und Trendgurus, die sich fälschlich für Forscher halten, meinen zu wissen, wie die Zukunft wirklich wird. Die seriöse Wissenschaft begnügt sich jedoch mit plausiblen Wenn-dann-Szenarien, also: Wenn wir die Entscheidung A treffen, ist die zukünftige Entwicklung B plausibel, oder: wenn wir die Maßnahme C setzen, spricht vieles für Entwicklung D. Die Welt ist nämlich weit und die für die zukünftige Entwicklung der Welt maßgeblichen Einflüsse sind sehr vielfältig.

Nick Sohnemann: Die 20er und 30er Jahre des 21. Jahrhunderts werden zwei spannende Jahrzehnte werden. Wir befinden uns noch immer in einer Zwischenperiode. Es ist so wie in dem Zeitalter, als die Dampfmaschine schon erfunden war, aber die industrielle und wirtschaftliche Veränderung des Industriezeitalters noch auf sich warten ließen.

Die Digitalisierung hat schon längst begonnen, aber viele Schalter sind noch nicht umgelegt worden. Erst wenn die gesamte Wirtschaft und der öffentliche Sektor auch von der Digitalisierung ergriffen werden, kann man darauf hoffen, dass der nötige systemische Wandel vollzogen wird.

Gibt es aus Ihrer Sicht gesellschaftliche, traditionelle Werte, die durch neue Technologien verschwunden sind oder künftig in Frage gestellt werden?

Reinhold Popp: In der gesamten Menschheitsgeschichte haben neue Technologien auch innovative Lebensweisen ermöglicht und traditionelle Werte in Frage gestellt. Diese Dynamik im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation wird sich auch zukünftig fortsetzen. So werden sich wahrscheinlich traditionelle Werte der Arbeitswelt durch die Digitalisierung und durch die Dominanz wissensintensiver Berufe verändern. Denn die herkömmlichen betrieblichen Hierarchien werden sich abflachen und der Arbeitsalltag wird agiler. Ähnlich wie bei den Technikfolgen seit dem Beginn der Industrialisierung werden auch durch die Digitalisierung manche Jobs, ja sogar ganze Berufe – und damit auch einige berufsspezifische Werte – wegfallen. Aber an anderen Stellen des Arbeitsmarkts werden neuen Jobs – mit zum Teil neuen beruflichen Haltungen und Werten – dazukommen. Auch zukünftig geht es also nicht nur um den Abbau von Arbeitsplätzen, sondern um den Umbau des Arbeitsmarkts. Dieser Prozess wird einerseits bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu einem häufigeren Wechsel von Arbeitsplätzen und zu mehr Flexibilität führen. Dadurch wird sich auch der traditionelle Wert der lebenslangen Treue zu einem einzigen Arbeitgeber deutlich reduzieren.

Nick Sohnemann: Da stimme ich Prof. Dr. Popp zu, Werte sind immer im Wandel. Gesellschaften verändern sich durch Bildung, neue Forschung und auch durch Wohlstand. Technologie ist da natürlich ein weiterer Baustein.

Ich denke da aber noch etwas weiter. Zukünftig werden nicht nur Berufe wegfallen, sondern auch einige „Skills“, die wir durch die Digitalisierung verlernen werden. Heute kann niemand mehr ein Feuer mit einem Schleifstein oder mit Reibung erzeugen, da wir gewohnt sind, ein Feuerzeug zu verwenden. In Zukunft werden wir nicht mehr so häufig andere Fremdsprachen – außer Englisch und (evtl. Chinesisch) lernen. Echtzeitübersetzung in Form von kleinen Kopfhörern macht das Erlernen neuer Sprachen nicht notwendig. Navigationsgeräte und selbstfahrende Autos werden die Organisation des Transports übernehmen, sodass wir uns überhaupt keine Straßennamen und Wege merken müssen.

Stichwort „gläserner Mensch“: Wir geben so viele Informationen preis wie nie zuvor. Ist das Ende der Privatsphäre schon besiegelt oder erwarten Sie in diesem Bereich künftig stärkere Regulierungen?

Reinhold Popp: In einem Rechtsstaat muss die Privatsphäre von Individuen und die Integrität von Institutionen geschützt werden. Wenn diese wichtigen Werte verletzt werden, müssen staatliche Regulierungen wirkungsvoll für Ordnung sorgen. In den kommenden Jahren stellt sich die große und komplexe Herausforderung, klare und streng sanktionierbare rechtliche Grenzen gegen die vielfältigen Formen des Datenmissbrauchs zu ziehen, ohne jedoch die Chancen des sinnvollen Gebrauchs von Daten und Informationen in der digitalisierten Arbeits- und Lebenswelt durch allzu rigide Verbote zu behindern. Die seit Mai 2018 geltende EU-Datenschutz-Grundverordnung ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Wir benötigen also eine gute Balance zwischen Datenschutz einerseits und der möglichst freien Nutzung unseres immer größer und wertvoller werdenden Datenschatzes. Außerdem benötigen wir mehr und bessere digitale Bildung. Denn allzu viele Menschen gehen mit ihrem persönlichen Datenschatz extrem leichtfertig um.

Nick Sohnemann: Die Diskussion an dieser Stelle wird meines Erachtens falsch geführt. Daten zu erfassen – auch über Menschen –, um die Welt besser zu machen, ist ja erstmal sehr sinnvoll. Es gibt ja auch positives Datenerfassen. Leider wird das immer alles schnell negativ konnotiert.

Eine künstliche Intelligenz kann nur gut arbeiten, wenn sie viele Daten zum Lernen hat. Es ist das Gesetz der großen Zahl. Je mehr Zahlen vom Algorithmus analysiert werden, desto besser kann die KI lernen. Auch hier geht es m.E. darum, diese Vorteile etwas positiver in Europa zu kommunizieren. Außerdem ist alles abhängig davon, wofür ich die Daten verwenden möchte. Zum einen kann ich sie dafür verwenden, den Blutzuckerspiegel eines Diabetespatienten zu überwachen und ihm dadurch mehr Lebensqualität zu ermöglichen.

Auf der anderen Seite kann man die Daten auch dafür verwenden, um personalisierte Werbung zu ermöglichen oder um eine Überwachung von einzelnen Personen durchzuführen. Meiner Meinung nach überwiegen die positiven Anwendungsmöglichkeiten. Trotzdem sollten wir auch nicht ganz außer Acht lassen, wem wir unsere Daten anvertrauen. Sowohl amerikanische als auch chinesische Unternehmen bzw. ihre Regierungen haben ein Interesse an unseren Daten, zu welchem Zweck auch immer. In diesem Zusammenhang kann es durchaus sinnvoll sein, über eine europäische Cloud oder Firewall nachzudenken.

*gekürzte Version; den gesamten Artikel lesen Sie in der AssCompact Jänner-Ausgabe.

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