Gemäß § 864a AGBG werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhaltes nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen. Der OGH hat sich in 7 Ob 27/25h vom 22.4.2025 mit dieser Thematik beschäftigt.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Nach den AVB hat die versicherte Person bei Benützung eines Kfz einen Sicherheitsgurt anzulegen, sofern dies für die Benützung dieses Kfz gesetzlich vorgeschrieben ist. Bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Verpflichtung werden sämtliche vereinbarten Versicherungsleistungen im kausalen Ausmaß gekürzt, jedoch um mindestens 25%. Bei einem Verkehrsunfall wurde der nicht angegurtete Versicherte als Beifahrer eines PKW schwer verletzt und erlitt eine Dauerinvalidität im Ausmaß von 100%. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Versicherte, wäre er ordnungsgemäß angegurtet gewesen, überhaupt Verletzungen erlitten hätte und ob und insoweit aufgrund von verletzungsbedingten Dauerfolgen eine Dauerinvalidität aufgetreten wäre. Der Versicherte argumentierte, die Klausel verstoße gegen das Gesetz und sei überraschend nach § 864a ABGB.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsfolge der AVB widerspricht der – einseitig zu Gunsten des VN zwingenden – Bestimmung des § 6 Abs. 2 VersVG, wonach der Versicherer eine Leistungskürzung nur dann vornehmen darf, wenn die Obliegenheitsverletzung einen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles bzw. sonst einen Einfluss auf den Leistungsumfang des Versicherers hat. Eine davon abweichende – kausalitäts- und nach dem Wortlaut selbst verschuldensunabhängige – Leistungskürzung von jedenfalls 25% ist unzulässig und insofern auch ungültig nach § 864a ABGB. Der VN wird die Wortfolge „jedoch um mindestens 25%“ nicht als Regelung mit eigenem Regelungsinhalt, sondern als Einschränkung des davor vorgesehenen Kausalitätsgegenbeweises und damit gleichermaßen als Ausdehnung der Möglichkeit des Versicherers verstehen, sich auf Leistungsfreiheit selbst im Falle einer unverschuldeten und bewiesenermaßen nicht kausalen Obliegenheitsverletzung zu berufen.
Kommentar
Die Entscheidung hinterlässt das unbestimmte Gefühl, dass ein Versicherter eine nicht unbeträchtliche Leistung erhält, auf die er eigentlich keinen Anspruch hat. Selbstverständlich widerspricht ein Teil der AVB § 6 Abs. 2 VersVG. Sollte z.B. der Kausalitätsanteil nur 10% betragen, so ist es nicht zulässig, die Leistungen um „mindestens 25%“ zu kürzen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Versicherer an den ersten Satz dieser Obliegenheit den zweiten Satz anhängt. Gäbe es den zweiten Satz nicht, so kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Versicherer wegen Obliegenheitsverletzung des Versicherten leistungsfrei wäre. Großzügiger als der OGH waren die Unterinstanzen. Das Berufungsgericht führte aus, eine allfällige Unwirksamkeit der Bestimmung über die Mindestkürzung führe nicht zur Unwirksamkeit der für den Fall der Obliegenheitsverletzung vereinbarten Leistungsfreiheit nach § 6 VersVG. Diese könne unabhängig bestehen und isoliert davon wahrgenommen werden. Dieser Ansicht ist wohl zuzustimmen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist im Verbraucherrecht grundsätzlich nicht möglich. Ob das auch gilt, wenn nur ein Teil einer Klausel überraschend ist, verliert der OGH mit Hinweis auf die Judikatur (RS0128735) nur drei Zeilen.
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