Ein Wohnhaus mit Rissbildungen nach Starkregen – für den Versicherungsnehmer ein klarer Fall von Erdrutsch. Doch die gegnerische Meinung des Versicherers führte den Fall bis vor den OGH. Dieser hatte zu entscheiden, ob auch kaum wahrnehmbare, langsam fortschreitende Kriechbewegungen des Erdreichs unter die Sturmversicherung fallen. Das Urteil ist für die Praxis ebenso relevant wie klar.
Artikel von: Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch
Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/
Was ist passiert?
Zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer besteht ein Eigenheim-Versicherungsvertrag. Die der Polizze zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Sturmversicherung (AStB-P 2016), die auch das Risiko des Erdrutsches abdecken, lauten auszugsweise wie folgt:
"Allgemeine Bedingungen für die Sturmversicherung
[…]
Erdrutsch ist eine naturbedingte Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn.
Versichert sind Schäden,
a) die durch unmittelbare Einwirkung von:
[…]
- Erdrutsch
entstehen;
[…].“
Im Jahr 2018 zeigten sich nach einem Starkregenereignis erste Anzeichen von Rissbildung am auf der Liegenschaft befindlichen Wohngebäude des Versicherungsnehmers. Massive Rissbildungen und Schäden zeigten sich zudem im gesamten Ortsgebiet. Die gegenständlichen Schäden am Gebäude des Versicherungsnehmers sind auf oberflächennahe und/oder tiefgründige hangabwärts gerichtete Kriechbewegungen zurückzuführen. Darunter werden langsam verlaufende Bewegungen ohne ausgeprägte Gleitflächen mit Bewegungsraten von wenigen Millimetern bis Zentimetern pro Jahr verstanden.
Der Versicherungsnehmer begehrte vom Versicherer Deckung, weil an seinem Wohngebäude Schäden durch als Erdrutsch im Sinn der Versicherungsbedingungen anzusehende Erdbewegungen verursacht worden seien. Nachdem der Versicherer eine Leistung ablehnte, landete der Fall schließlich vor dem Obersten Gerichtshof (OGH).
Wie ist die Rechtslage?
In seiner Entscheidung vom 29.01.2025, Aktenzeichen: 7 Ob 189/24f, führte der zunächst aus, dass für die Definition des Begriffs Erdrutsch in erster Linie die Formulierung in den Versicherungsbedingungen und deren Verständnis aus Sicht eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers relevant ist. Für einen allgemein verständlichen Begriff könne überdies aber auch dessen gängige Definition herangezogen werden.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer werde unter einer "naturbedingten Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen“ bereits aufgrund der plastischen Umschreibung von einem sinnlich wahrnehmbaren Vorgang ausgehen. Demgegenüber seien ganz langsame Bewegungen des Erdreichs, die einerseits schon aufgrund ihres geringen Tempos mit freiem Auge überhaupt nicht als Abwärtsbewegung wahrnehmbar wären und andererseits unter der Erde stattfinden, nicht unter diesen Begriff zu subsumieren.
Solche Bewegungen seien vielmehr mit den Kriechbewegungen unter den ruhenden Schneemassen zu vergleichen. Genauso wenig wie der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer nicht wahrnehmbare Kriech- und Gleitbewegungen von wenigen Millimetern unter einer Schneedecke als Lawine ansehen würde, sehe er ähnliche Phänomene im Erdreich als Erdrutsch im Sinn einer "naturbedingten Abwärtsbewegung von Erd- und Gesteinsmassen auf einer unter der natürlichen Oberfläche liegenden Gleitbahn“ an.
Zusammengefasst kam der OGH daher zum Ergebnis, dass die vorliegenden Kriechbewegungen nicht den Begriff des Erdrutsches erfüllen, sodass dem Versicherungsnehmer auch keine Leistung zukommt.
Schlussfolgerungen
"„Notwendiges Element für das Vorliegen eines Erdrutsches ist eine visuell bemerkbare und nicht bloß durch Messgeräte feststellbare Rutschung. Derart langsame und geringfügige Bewegungen des Untergrundes fallen daher nicht unter den – in den Versicherungsbedingungen definierten – Begriff des Erdrutsches“"
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