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Rückwärtsversicherung in der Berufshaftpflichtversicherung

(Bild: © BillionPhotos.com – stock.adobe.com)

Rückwärtsversicherung in der Berufshaftpflichtversicherung

01. Oktober 2024

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5 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Eine Versicherungsnehmerin, die im Bereich der Schüttgut-Technologie tätig ist, hatte eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. 2016 beantragte sie eine Erweiterung der Deckungssumme für Vermögensschäden und die Absicherung von Planungsfehlern. Bereits vor Abschluss des Vertrags meldete die Versicherungsnehmerin einen Schadensfall aufgrund eines Produktrückrufs. Der Versicherer lehnte die Deckung ab, da der Fehler bereits vor dem Vertragsdatum aufgetreten sei. Die Versicherungsnehmerin fordert Schadensersatz sowie die Feststellung der Deckungspflicht. (7 Ob 168/23s)

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Eine Versicherungsnehmerin stellte Anlagen im Bereich der Schüttgut-Technologie her und hatte beim Versicherer eine Berufshaftpflichtversicherung.

Diese lautet auszugsweise:

Punkt 3.2.: Sublimite für Deckungserweiterungen: Die Versicherungssumme beträgt (…) bei reinen Vermögensschäden (Punkt 8.6.) EUR 500.000 (…)
Punkt 8.6.3.: Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Schadenersatzverpflichtungen aus
Punkt 8.6.3.3.: Planender, beratender, bau- oder montageleitender, prüfender oder gutachterlicher Tätigkeit; (…)

Im März 2016 fragte die Versicherungsnehmerin um eine erweiterte Deckung reiner Vermögensschäden mit einem Sublimit von 1 Mio. Euro und eine Deckung von Planungsfehlern an, woraufhin der Versicherer verschiedene Angebote unterbreitete.

Erst am 31.03.2017 entschied sich die Versicherungsnehmerin, für ein Angebot, das jedoch noch von beiden Vertragsseiten angepasst werden musste.

Erst am 16.07.2018 wurde eine Versicherungspolizze „Stand 31.03.2017“ übermittelt.

Bereits vor Übermittlung der finalen Versicherungspolizze, nämlich am 18.12.2017, erstattete die Versicherungsnehmerin eine Schadensmeldung auf Grund von Schadenersatzansprüche wegen eines Produktrückrufs.

Der Versicherer lehnte am 10.11.2018 die Deckung ab, da der „Verstoß“ schon vor dem 31.03.2017 in der Planungsphase passiert und somit nicht versichert wäre.

Die Versicherungsnehmerin begehrte die Zahlung von 900.000 Euro s. A. und die Feststellung der Deckungspflicht für weitere Verfahrenskosten.

Sie stützt sich darauf, dass sie die Deckungserweiterung am 31.03.2017 in Unkenntnis der später auftretenden Probleme abgeschlossen hat.

Der Versicherer wendete unter anderem ein, dass nach dem Vertrag bis 30.03.2017 Planungsfehler nicht versichert waren. Als die Versicherungsnehmerin am 31.3.2017 den Antrag auf Einschluss dieses Risikos gestellt habe, habe sie die auf sie zukommenden Probleme bereits gekannt, der Vertrag über die Deckungserweiterung wäre außerdem erst mit 16.07.2018 geschlossen worden.

Zu diesem Zeitpunkt würde eine Rückwärtsversicherung vorliegen, von der Fälle, die bis zum Vertragsabschluss eintreten, unter der Voraussetzung jeder nachträglichen Zahlung der Erstprämie gedeckt sind. Auch in einem solchen Fall besteht jedoch nach Meinung des Versicherers gem §2 Abs 2 VerVG Leistungsfreiheit, wenn beide Parteien Kenntnis von einem Schadenfall haben.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 17.04.2024, Geschäftszahl: 7 Ob 168/23s, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass der Versicherer nach fast einem Jahr nicht mehr an das Angebot aus 2016 gebunden war. Daher ist die „Annahme“ des Angebots vom 31.03.2017 als neues Angebot zu werten. Der Vertrag wurde demnach erst am 16.07.2018 abgeschlossen.

Das Erstgericht hat jedoch einen Beweisantrag zur Frage, ob Planungsfehler aus dem Jahr 2016 für den Schaden ursächlich gewesen sind übergangen, weshalb die Sache an das Erstgericht zurückverwiesen wurde.

Obwohl damit kein abschließendes Urteils der OGH ergeht, beantwortete er aber insbesondere die Frage der Rückwärtsversicherung, sollte der Versicherungsfall innerhalb der Geltungszeit der Deckungserweiterung liegen:

Die Polizze vom 16.07.2018 weist die Bemerkung „Stand 31.03.2017“ auf. Die Anführung eines vor dem Ausstellungsdatum liegenden Tages im Versicherungsschein als Beginn der Versicherung bedeutet im Zweifel den Abschluss einer Rückwärtsversicherung.

§2 Abs 2 VersVG regelt für Rückwärtsversicherungen die Fälle, dass eine der Vertragsparteien weiß, dass ein Versicherungsfall eintritt, jedoch nicht, dass beide Parteien davon Kenntnis haben.

In nunmehr ständiger Rechtsprechung wird vertreten, dass § 2 Abs 2 Satz 2 VersVG stillschweigend abbedungen ist, wenn der Versicherungsfall nach der Übergabe des Antrags an den Vertreter des Versicherers eingetreten ist, der Versicherer davon durch Entgegennahme der Schadenanzeige noch vor der Annahme des Antrags Kenntnis erlangt und den Antrag dennoch angenommen hat.

Somit kam der OGH schlussendlich zu dem Ergebnis, dass sollte die Schadenmeldung vom 18.12.2017 einen Versicherungsfall betroffen haben, der nach Wirksamkeit der Deckungserweiterung am 31.03.2017 eingetreten ist, auch die Kenntnis beider Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht zur Leistungsfreiheit führen würde.

Schlussfolgerungen

Haben beide Parteien Kenntnis Versicherungsfall bei Vertragsabschluss wäre der Versicherer leistungsfrei. Dies gilt aber nicht, wenn der Versicherungsfall nach Antragstellung, aber vor Annahme eintrat und dem Versicherer mitgeteilt wurde.

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