In einem aktuellen Urteil bringt der Oberste Gerichtshof (OGH) wichtige Klarheit zum versicherungsrechtlichen Brandbegriff nach den Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB 2002/Stufe 2). Die Entscheidung ist für Makler von hoher Relevanz, da sie das Spannungsfeld zwischen Bagatellschaden und versichertem Schadenfeuer neu ordnet – und die Position der Versicherungsnehmer stärkt. (OGH 7 Ob 113/24d)
Artikel von:
Mag.iur. Alexander Gimborn
ÖVM-Präsident
Ausgangspunkt des Falles
Eine Getreidemühle hatte während der Betriebsferien einen Ölradiator eingesetzt, um Frostschäden zu vermeiden. Das Gerät war über viele Jahre problemlos in Verwendung, bis es am 3. Jänner 2022 zu einem nicht bestimmungsgemäßen Brennen der Kunststoffteile kam. Das Feuer blieb auf den Radiator beschränkt, hätte aber leicht auf umliegende Stoffe übergreifen können.
Die Versicherung verweigerte die Deckung: Es habe kein „Brand“ im Sinn der AFB 2002 vorgelegen, da sich das Feuer nicht tatsächlich ausgebreitet habe.
Der Streitpunkt: „Ausbreitung“ vs. „Ausbreitungsfähigkeit“
Während ältere Bedingungswerke (z. B. AFB 1984) ausdrücklich die „selbständige Ausbreitungsfähigkeit“ des Feuers verlangten, definiert die neuere Fassung einen Brand als Feuer, das sich „mit schädigender Wirkung und aus eigener Kraft ausbreitet“. Das Berufungsgericht verstand das wörtlich – und sah nur dann einen Brand, wenn das Feuer tatsächlich übergreift.
Der OGH stellte nun klar:
- Die neue Formulierung ändert inhaltlich nichts.
- Auch nach AFB 2002 reicht es aus, wenn das Feuer die Fähigkeit zur Ausbreitung besitzt, selbst wenn diese durch Zufall oder rechtzeitiges Eingreifen verhindert wurde.
Rechtliche Begründung
Der OGH folgt den Grundsätzen der objektiven Auslegung von AVB (§§ 914 f ABGB). Maßgeblich ist der verständige Versicherungsnehmer, nicht die technische Wortinterpretation.
Der Zweck der Klausel sei es, Bagatellfeuer (z. B. kurzes Schmelzen von Kabeln) von echten Brandereignissen abzugrenzen – nicht aber, berechtigte Ansprüche durch sprachliche Spitzfindigkeiten zu verneinen.
Die Richter stellten daher fest: Ein Feuer, das aus eigener Kraft über seine Entstehungsstelle hinauszuwirken vermag, ist ein Brand im Sinne der AFB 2002 – auch wenn es nicht tatsächlich übergreift. Die Feuerversicherung bleibt damit leistungsverpflichtet.
Praktische Bedeutung für Makler
- Auslegungsmaßstab: Unklare Klauseln gehen zu Lasten des Versicherers.
- Branddefinition: Entscheidend ist die Ausbreitungsfähigkeit, nicht die tatsächliche Ausbreitung.
- Beratungspflicht: Makler sollten Kunden auf diese OGH-Klarstellung hinweisen – insbesondere bei Schäden mit begrenztem Brandumfang.
- Schadendokumentation: Bei ähnlichen Fällen ist die Beweissicherung zur Ausbreitungsfähigkeit (z. B. Fotos, Gutachten) essenziell.
Das Urteil stärkt die Rechtssicherheit für Versicherungsnehmer und die Argumentationsbasis der Makler. Es verhindert, dass formale Begriffsänderungen zu Leistungsausschlüssen führen, und stellt klar: „Ein Feuer, das sich ausbreiten könnte, ist ein Brand – auch wenn es rechtzeitig gelöscht wurde.“
Damit ist der Ölradiator-Fall mehr als ein technisches Detail: Er zeigt, dass das Verständnis des Risikocharakters weiterhin das entscheidende Kriterium in der Feuerversicherung bleibt.
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