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Risikoausschlüsse in der Rechtsschutzversicherung – die Löcher im Käse (?) – Teil 1

(Bild: © wsf-f-stock.adobe.com)

Risikoausschlüsse in der Rechtsschutzversicherung – die Löcher im Käse (?) – Teil 1

24. Mai 2023

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

„Manche vergleichen die Rechtsschutzversicherung mit einem löchrigen Schweizer Käse, bei dem die Löcher mehr Platz einnehmen als der Käse“, so liest man im deutschen Versicherungshandbuch von Beckmann. Was überaus pointiert formuliert ist, bringt dennoch zum Ausdruck, dass die Rechtsschutzversicherung keine all-risk-Prozesskostenversicherung ist – dies liegt auch in einer nicht unerheblichen Anzahl von Risikoausschlüssen begründet. In den folgenden Beiträgen der Serie „Rechtsschutz im Fokus“ sollen daher einige besonders praxisrelevante Risikoausschlüsse etwas genauer unter die Lupe genommen werden.

Artikel von:

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Prof. Mag. Erwin Gisch, MBA

Fachverbandsgeschäftsführer der Versicherungsmakler und Lektor an der Donau Uni Krems, WU-Wien und Juridicum Wien

1. Allgemeines

Die allgemeinen Risikoausschlüsse der Rechtsschutzversicherung finden sich in den ARB der Versicherer üblicherweise in Artikel 7 aufgelistet. Sie sind somit Bestandteil der Allgemeinen Bestimmungen der ARB und gelten grundsätzlich für jeden versicherten Rechtsschutz-Baustein gleichermaßen, sodass sie für jeden einzelnen Rechtsschutzversicherungsvertrag zu beachten sind.

Die Judikatur zu den Risikoausschlüssen ist einerseits durchaus reichhaltig und andererseits zu einem guten Teil von Verbandsprozessen (z.B. des VKI als Kläger) geprägt, bei denen i.d.R. die Frage nach hinreichender Transparenz und Inhaltskontrolle im Vordergrund steht. Die Verfahren und Urteile zu den Rechtsschutz-Risikoausschlüssen in der jüngeren Vergangenheit waren – pandemie- und lockdownbedingt – zum Teil durch die Katastrophenklausel und die Ausnahmesituationsklausel geprägt. Doch auch außerhalb dieser beiden Klauseln ist die Judikatur reich an Risikoausschluss-Entscheidungen, wie etwa zur Gesellschaftsrechts-Klausel oder zum Dauerbrenner „Bauherrnklausel“, um nur einige Beispiele zu nennen.

Im ersten Teil zu den Risikoausschlüssen soll ein Blick auf eine Ausschluss-Klausel geworfen werden, die gemeinhin vielleicht nicht ganz so bekannt, für die Praxis dennoch immens relevant ist, nämlich „Anstellungsverträge gesetzlicher Vertreter juristischer Personen“.

2. Risikoausschluss „Anstellungsverträge gesetzlicher Vertreter juristischer Personen“

a. Allgemeines zum Risikoausschluss

Die gegenständliche Risikoausschluss-Klausel lautet (in Anlehnung an die Muster-ARB des VVO) oftmals: „Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Anstellungsverträgen gesetzlicher Vertreter juristischer Personen.“

Was hat es damit auf sich?

Neben natürlichen Personen sind auch juristische Personen (z.B. GmbHs, Vereine, Genossenschaften etc.) Träger von Rechten und Pflichten. Sie bedürfen jedoch natürlicher Personen, die für sie handeln. Dabei spielt der Begriff „Organ“ eine zentrale Rolle, denn er bezeichnet dabei eine gesetzliche oder gesellschaftsvertraglich vorgesehene Stelle (wie etwa den Vorstand eines Vereins, die Geschäftsführung einer GmbH usw.), dem u.a. die Vertretungsbefugnis zukommt. Organwalter sind in weiterer Folge diejenigen Personen, die Mitglied eines derartigen Organs sind.

b. Wer und was ist vom Risikoausschluss umfasst? Wen und was trifft der Risikoausschluss nicht?

Der Risikoausschluss kommt zur Anwendung, wenn

  • ein Organwalter als ein gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person einerseits und
  • eine juristische Person als Gegner anderseits in eine rechtliche Auseinandersetzung verwickelt sind und zugleich
  • die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen aus einem Anstellungsvertrag des Organwalters bei dieser juristischen Person resultiert.

Es geht also z.B. um einen arbeitsrechtlichen Streit eines GmbH-Geschäftsführers mit „seiner“ GmbH. Und während üblicherweise rechtliche Auseinandersetzungen aus Dienst-/Anstellungsverträgen bzw. Arbeitsverhältnissen im Rahmen des Arbeitsgerichts-Rechtsschutzes des Art. 20 ARB unter Versicherungsschutz stehen, nimmt die gegenständliche Klausel genau derartige Rechtsstreitigkeiten generell vom Versicherungsschutz aus.

Da im Anstellungsvertrag regelmäßig die wechselseitigen arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten und damit auch die Entlohnung des Organwalters geregelt werden, betreffen Streitigkeiten daraus in der Praxis oftmals Entlohnungs- und Vergütungsfragen, aber auch Themen i.Z.m. der Endigung des Dienstverhältnisses.

c. Reichweite des Ausschlusses i.S.d. Rspr

Im Verfahren des OGH 7 Ob 166/20t (= versdb 2020, 59) war strittig, ob die Auseinandersetzung um Ansprüche auf Entgelt und Kündigungsentschädigung eines Kurzzeit-Geschäftsführers der GmbH gegenüber unter Versicherungsschutz stehen.

Der OGH hat (auf Basis einer im Vergleich zu den Muster-ARB textlich abweichenden Klausel) im Wesentlichen festgehalten, dass der Risikoausschluss beide Seiten betrifft, sodass sowohl auf Seiten der Gesellschaft als auch auf Seiten des Organs kein Versicherungsschutz besteht und dass Streitigkeiten der GmbH (hier als VN) mit ihrem Geschäftsführer wegen behaupteter ungerechtfertigter Kündigung des Anstellungsverhältnisses vom Risikoausschluss umfasst sind.

d. Rückeinschluss bzw. Abbedingung der Klausel im Manager-Rechtsschutz (?)

Auf der Seite des Organwalters kann u.U. ein sog. Manager-Rechtsschutz Abhilfe schaffen: Regelmäßig findet sich in derartigen Produkten nämlich ein eigener Baustein dafür, der sog Dienstvertrags-Rechtsschutz (auch Anstellungsvertrags-Rechtschutz genannt). Das ist dann ein dem Arbeitsgerichts-RS nachgebildeter Baustein für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Anstellungsvertrag des „Managers“, mit dem der Risikoausschluss abbedungen wird.

Auch hier gilt es, bei der Produktauswahl Genauigkeit hinsichtlich der Deckungsinhalte und des versicherten Personenkreises walten zu lassen, denn ein genormter bzw. standardisierter Inhalt existiert bei den Produkten „Manager-Rechtsschutz“ nicht.

Auf der Seite der Unternehmen, konkret der zu versichernden GmbHs, Vereine, Genossenschaften, Aktiengesellschaften usw. existiert am Markt hingegen eine analoge Möglichkeit der Abbedingung der Ausschlussklausel „Anstellungsverträge gesetzlicher Vertreter juristischer Personen“ regelmäßig nicht.

Während also „Manager“ (GmbH-Geschäftsführer, Vorstände einer AG etc.) rechtsschutzmäßig ggf. entsprechend vorsorgen können, ist dies für die potenziell betroffenen Firmen im Betriebs-Rechtsschutz üblicherweise nicht möglich. Dies gilt es in der Beratung zu berücksichtigen.

Hier geht's zum zweiten Teil des Beitrages ...

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