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Rechtsschutzversicherung: „Ausnahmesituationsklauseln“ sind rechtswidrig

Rechtsschutzversicherung: „Ausnahmesituationsklauseln“ sind rechtswidrig

23. November 2020

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4 Min. Lesezeit

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News-Management & Wissen

Das Handelsgericht (HG) Wien erklärt die „Ausnahmesituationsklauseln“ von Rechtsschutzversicherungen als gröblich benachteiligend und intransparent. Die Klausel, mit der Deckungsschutz bei Covid-19-bedingten Rechtsstreitigkeiten verweigert wurde, ist daher rechtswidrig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 11/23/2020

Nach den Einschränkungen der Wirtschaft aufgrund der COVID-19-Pandemie, beispielsweise bei Reiserücktritten, Flugausfällen oder Veranstaltungsabsagen, kam es im Frühjahr 2020 vermehrt zu Beschwerden von Konsumenten, dass Rechtsschutzversicherungen den Deckungsschutz für damit verbundene Prozesse verweigern.

Laut den Bestimmung eines beklagten Versicherungsunternehmens besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen „in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat daraufhin Klage beim Handelsgericht Wien eingereicht.

Das Urteil: Klausel ist gröblich benachteiligend und intransparent

Das HG Wien beurteilte diese Klausel jetzt als gröblich benachteiligend. Nach Auffassung des Gerichts kann die Klausel nur so interpretiert werden, dass sämtliche Zusammenhänge mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung davon erfasst sind. Es kann aber nicht jeder noch so ferne Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung für einen Risikoausschluss ausreichend sein, da es sonst zu unangemessen großen Lücken im Versicherungsschutz kommen würde.

Zudem ist die Klausel aus mehreren Gründen intransparent: Einem durchschnittlichen Verbraucher wird nicht klar ersichtlich, ob unter „hoheitlichen Anordnungen“ nur Gesetze oder auch Verordnungen und Richtlinien, Bescheide, Erläuterungen, Erlässe etc. zu verstehen sind. Unklar bleibt auch, ob Empfehlungen der Regierung (wie etwa eine Empfehlung des Außenministeriums, auf nicht notwendige Auslandsreisen zu verzichten) davon erfasst sind und ob dies nur für hoheitsrechtliche Anordnungen von österreichischen Behörden oder auch jene von ausländischen Behörden gilt. Zudem ist das in der Klausel verwendete Wort „Ausnahmesituation“ nicht eindeutig genug. Es bliebe im Einzelfall dem Versicherungsgeber überlassen, den Begriff der Ausnahmesituation zu definieren. Somit ist es dem Verbraucher nicht möglich, die Tragweite der Klausel zu durchschauen. Die Klausel ist daher unwirksam. (HG 30Cg24/20m vom 7. November 2020)

Wie stehen die Chancen, dass das Urteil auch vom OGH bestätigt wird?

Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch dazu: „Das Urteil des Handelsgerichts Wien hat meine bisherige Rechtsansicht bestätigt. Diese Formulierung führt aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers schlichtweg dazu, dass sämtliche Zusammenhänge mit hoheitsrechtlichen Anordnungen von diesem Risikoausschluss erfasst sind. Nach derzeitigem Stand würde diese Klausel daher zu einer unangemessen weiten Lücke des Versicherungsschutzes führen. Die Chancen, dass die Rechtsansicht des HG Wien vom OGH bestätigt wird, sind daher als durchaus gut zu bezeichnen. Dies insbesondere auch deshalb, da einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer wohl nicht klar sein wird, was unter einer hoheitsrechtlichen Anordnung zu verstehen ist, wodurch es dieser Klausel wohl auch an der erforderlichen Transparenz mangelt“.

Welche Folgen hat das Urteil für die Versicherungsbranche?

Sollte die gröbliche Benachteiligung und Intransparenz dieser Klausel vom OGH bestätigt werden, so würde dies, laut Dr. Weinrauch, dazu führen, dass eine solche in Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthaltene Bestimmung unwirksam ist. „Eine Deckungsablehnung von Seiten des Rechtsschutzversicherers unter Berufung auf diesen Risikoausschluss wäre daher nicht länger möglich“, erläutert Dr. Weinrauch.

Foto: Dr. Roland Weinrauch, Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

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