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OGH Urteil zur Streitwertobergrenze im Vertrags-RS

OGH Urteil zur Streitwertobergrenze im Vertrags-RS

08. November 2021

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6 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der OGH beschäftigte sich in einem aktuellen Fall damit, welche Beträge in die Ermittlung der Streitwertobergrenze einbezogen werden müssen (OGH 7 Ob 134/21p, versdb 2021, 50).

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 11/8/2021

Die Klausel zur Streitwertobergrenze im Versicherungsvertrag lautete:

„B.2. Was ist versichert?
[...]
B.2.3. Der Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen gemäß Punkt B.2.1.1., B.2.1.2., B.2.1.3. und B.2.1.4. besteht nur unter folgenden Voraussetzungen:
B.2.3.1. sofern der Gegner dem Grunde oder der Höhe nach Einwendungen gegen die Forderung des Versicherungsnehmers erhebt;
B.2.3.2. sofern und solange die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen und Gegenforderungen der Vertragsparteien (Gesamtansprüche) aufgrund desselben Versicherungsfalles im Sinn des Artikel 2.3. die vertraglich vereinbarte Obergrenze unabhängig von Umfang, Form und Zeitpunkt der Geltendmachung nicht übersteigen.
Aufrechnungsweise geltend gemachte Forderungen werden dabei nicht berücksichtigt, sofern weder die Forderung noch die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung die vereinbarte Obergrenze übersteigen.
Sinken die Gesamtansprüche vor der gerichtlichen Geltendmachung durch Zahlung, Vergleich oder Anerkenntnis unter die vereinbarte Obergrenze, besteht ab diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz.
Steigen die Gesamtansprüche nach Bestätigung des Versicherungsschutzes über die vereinbarte Obergrenze, entfällt ab diesem Zeitpunkt der Versicherungsschutz.“

Im Rechtsschutz-Versicherungsvertrag wurde eine Streitwertobergrenze von 25.000 Euro für den Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz im Betriebsbereich vereinbart.

Der VN hatte im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben einen Subunternehmer mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten beauftragt. Aus diesem Werkvertragsverhältnis entstanden Abrechnungsdifferenzen. Der VN wurde daraufhin von seinem Subunternehmer auf 13.958,07 Euro an restlichem Werklohn gerichtlich in Anspruch genommen. Gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl des Bezirksgerichts Gmunden erhob der VN als Beklagter Einspruch und bestritt das dortige Klagebegehren dem Grunde als auch der Höhe nach.

Es ergibt sich aus Sicht des VN folgende Abrechnung:

Berechtigter Werklohn des Subunternehmers bei mängelfreier Fertigstellung: 53.737,80 Euro
abzüglich Mängelbehebungskosten: – 2.895,00 Euro
abzüglich Fertigstellungskosten: – 2.400,00 Euro
ergibt: 48.442,80 Euro
tatsächlich vom VN bezahlt: 87.861,41 Euro
Das ergibt eine Überzahlung von 39.418,61 Euro.

Aufgrund der geleisteten Überzahlung besteht nach Ansicht des VN die eingeklagte Forderung des Subunternehmers demnach nicht zu Recht.

Der Versicherer erklärt sich leistungsfrei: Allein der behauptete Überzahlungsbetrag von mehr als 30.000 Euro liege über der im Versicherungsvertrag vereinbarten Streitwertobergrenze von 25.000 Euro, sodass kein Versicherungsschutz bestehe. Zu berücksichtigen seien aufgrund des ausdrücklichen Bedingungswortlauts und des offenkundigen Zwecks der an der Anspruchshöhe orientierten Risikobegrenzung alle Forderungen und Gegenforderungen der Vertragspartner aufgrund desselben einheitlichen Versicherungsfalls.

Entscheidung des OGH

Rückforderungsanspruch ist zu berücksichtigen: Nach Artikel 22.B.2.3.2 ARB besteht der Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen soweit hier relevant nur sofern und solange die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen und Gegenforderungen der Vertragsparteien (Gesamtansprüche) aufgrund desselben Versicherungsfalls im Sinn des Artikel 2.3. ARB die vertraglich vereinbarte Obergrenze unabhängig von Umfang, Form und Zeitpunkt der Geltendmachung nicht übersteigen.

Die behauptete Überzahlung mag zwar in dem zu deckenden Verfahren nur einen (Schuldtilgungs-)Einwand darstellen, die Behauptungen des VN begründen aber – wovon er selbst ausgeht – einen gesondert klagbaren bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB wegen (teilweiser) Zahlung einer Nichtschuld (vgl 8 Ob 96/15y); eine Forderung auf die der VN auch nicht verzichtet hat.

Der vom VN dargestellte Rückforderungsanspruch nach § 1431 ABGB ist bei der Ermittlung der Streitwertobergrenze zu berücksichtigen.

Zwei Versicherungsfälle?

Der im Wege einer eigenen (Wider-)Klage geltend zu machende bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch stellt auch keinen gesonderten Versicherungsfall dar. Der VN geht vom Nichtbestehen der im zu deckenden Prozess von seinem Subunternehmer geltend gemachten Werklohnforderung infolge einer unrichtigen Leistungsabrechnung und seiner daraus resultierenden Übererfüllung des Werklohnanspruchs aus. Den Keim der Streitigkeiten über die Höhe des Werklohnanspruchs des Subunternehmers – und auch des bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs – bildet die behauptete unrichtige Abrechnung des Subunternehmers, mit der die Gefahr von Kosten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung konkretisiert wurde. Der Verstoß der unrichtigen Abrechnung löste nicht nur die Rechtsverteidigung in dem zu deckenden Prozess aus, sondern sie ist auch adäquat kausal für den behaupteten bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsanspruch. Die Streitigkeiten gehen daher auf einen Verstoß zurück und bilden einen einheitlichen Versicherungsfall.

Da bereits der vom VN behauptete bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsanspruch über der Streitwertobergrenze von 25.000 Euro liegt, besteht kein Versicherungsschutz.

Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto oben) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com

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