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Führerscheinklausel: Bei Fahrt auf privater Motocross-Strecke in Italien anwendbar?

Führerscheinklausel: Bei Fahrt auf privater Motocross-Strecke in Italien anwendbar?

25. August 2022

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5 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Ein Versicherungsnehmer fuhr mit einem nicht zulassungsfähigen Motorrad, ohne Lenkberechtigung auf einer privaten Motorcross-Strecke in Italien und erlitt dabei einen Unfall. Die beklagte Unfallversicherung lehnte eine Deckung ab, woraufhin der Versicherungsnehmer klagte und argumentierte, dass ein Fahren ohne Lenkerberechtigung auf nicht öffentlichem Grund gesetzlich zulässig sei.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 8/25/2022

Was ist passiert?

Der klagende Versicherungsnehmer schloss mit der beklagten Versicherung einen Unfallversicherungsvertrag. Dem Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (AUVB 2015) zugrunde. Diese lauten auszugsweise wie folgt:

„Abschnitt D
PFLICHTEN DES VERSICHERUNGSNEHMERS
[…]
Artikel 19

[…]
1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
Als Obliegenheit, deren Verletzung unsere Leistungsfreiheit gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 2 VersVG bewirkt, wird bestimmt, dass die versicherte Person als Lenker eines Kraftfahrzeuges die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Kraftfahrzeuges erforderlich wäre, besitzt; dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt wird.“

Der Kläger verletzte sich am 05.01.2020 auf einer privaten Motocross-Strecke in Italien. Er fuhr dabei mit einer Motocross-Maschine mit einem Vierteltaktmotor mit 450 ccm Hubraum. Das Motorrad war gemäß kraftfahrrechtlichen Normen seiner Ausstattung nach nicht zulassungsfähig und konnte daher nur abseits öffentlicher Straßen zu Sport- oder Freizeitzwecken verwendet werden. Der Kläger besaß für dieses Motorrad keine Lenkerberechtigung nach italienischem Recht.

Nachdem die beklagte Versicherung eine Leistung aus der Polizze abgelehnt hat, brachte der Versicherungsnehmer eine Klage ein. Der Kläger argumentierte im Wesentlichen, dass ein Fahren ohne Lenkerberechtigung auf nicht öffentlichem Grund gesetzlich zulässig sei und deshalb die zitierte Obliegenheit nicht zur Anwendung kommen würde. Der Fall gelangte schließlich zum Obersten Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 28.04.2022 führte der OGH (7 Ob 8/22k) zunächst aus, dass Art 19.1. AUVB 2015 oder vergleichbare – als „Führerscheinklauseln“ bezeichnete – Bedingungen als Obliegenheiten qualifiziert werden. Die Führerscheinklauseln haben auch für Fahrten auf nicht öffentlichem Grund Geltung, was in Art 19.1. letzter Halbsatz AUVB 2015 ausdrücklich festgehalten ist. Sie zielen nämlich darauf ab, den Versicherer nicht dem höheren Risiko durch unerfahrene und ungeschulte Lenker auszusetzen. Sie stellen daher darauf ab, ob der Lenker eine (allgemeine) Fahrberechtigung und damit eine gewisse Fahrsicherheit hat, unabhängig davon, ob die Fahrten auf privaten Grundstücken oder öffentlichen Straßen stattfinden. Das fahrerische Können soll bereits vor Antritt der Fahrt in der vom Gesetz formalisierten Weise durch Erhebungen der Behörde und die Fahrprüfung dargetan sein.

Art 19.1. AUVB 2015 fordert, dass die versicherte Person als Lenker eines Kraftfahrzeugs die jeweilige kraftfahrrechtliche Berechtigung, die zum Lenken dieses oder eines typengleichen Kraftfahrzeugs erforderlich wäre, besitzt. Da Art 19.1. AUVB 2015 – anders als etwa andere Bedingungswerke – keine für den Lenker des Fahrzeugs „in Österreich“ vorgeschriebene Lenkerberechtigung verlangt, ist bei einem Unfall im Ausland darauf abzustellen, ob der Lenker nach den Vorschriften des betreffenden Landes eine entsprechende kraftfahrrechtliche Berechtigung besaß.

Zwar war das Verhalten des Klägers gesetzlich nicht verboten, da er nicht auf öffentlichen Straßen gefahren ist. Allerdings besteht nach dem klaren Wortlaut der Bedingungslage des vorliegenden Versicherungsvertrags dennoch keine Leistungspflicht des Versicherers, da der Kläger keine Lenkerberechtigung nach italienischem Recht besaß.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Doktor Roland Weinrauch: „Motorräder, die in ihrer Ausstattung gemäß kraftfahrrechtlichen Normen nicht zulassungsfähig sind und nur abseits öffentlicher Straßen zu Sport- oder Freizeitzwecken verwendet werden, können dennoch – aufgrund ihrer Motorstärke oder Hubraumklasse – unter die Führerscheinklausel fallen. Fehlt daher für solche oder – leistungsbezogen – vergleichbare Motorräder eine entsprechende Lenkerberechtigung, so entfällt die Leistung aus der privaten Unfallversicherung.“

Von Dr. Roland Weinrauch (Foto), Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte: https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Titelbild: © torwaiphoto – stock.adobe.com

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