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Die „Berufsunfähigkeit“ in der privaten Unfallversicherung

(Bild: ©frittipix - stock.adobe.com)

Die „Berufsunfähigkeit“ in der privaten Unfallversicherung

01. Dezember 2022

|

4 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Durch einen Sturz erlitt ein Versicherungsnehmer schwere Verletzungen am Kopf, die bleibenden Schäden, wie den Verlust des Geruchssinns sowie einen Hörverlust, mit sich zogen. Die Unfallversicherung leistete für diese bleibenden Schäden Deckung. Der Kläger begehrte allerdings weitere Zahlungen, unter anderem mit der Begründung, dass er durch die erlittenen Verletzungen vollständig berufsunfähig geworden sei.

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Was ist passiert?

Der Kläger, der eine leitende Funktion in einem Ingenieurberuf innehatte, stürzte bei Renovierungsarbeiten ca. 1,5 Meter in die Tiefe und prallte mit dem Kopf auf den Boden auf. Bei dem Sturz erlitt der Kläger schwere Schädigungen des Schädels sowie des Nervensystems, die jedoch zu keinen schwerwiegenden psychischen Störungen führten. Er erlitt einen gänzlichen Verlust des Geruchssinns verbunden mit vermindertem Geschmacksempfinden sowie einen Hörverlust und Tinnitus auf der linken Seite.

Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Unfallversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung in der Fassung 1/2005 (AUVB) zugrunde gelegt wurden. Eine Zusatzvereinbarung in Artikel 7.6 AUVB sah dabei vor, dass dem Versicherungsnehmer im Falle dauernder Invalidität – unabhängig vom Invaliditätsgrad – die Versicherungssumme zu 100% zusteht, sollte durch einen Versicherungsfall dauernde und vollständige Berufsunfähigkeit eintreten. Im gegenständlichen Sachverhalt leistete die Beklagte nur jenen Betrag, der sich aus dem Verlust des Geruchssinns sowie aus der Funktionsbeeinträchtigung des linken Ohrs errechnet. Der Kläger begehrte allerdings weitere Zahlungen, unter anderem mit der Begründung, dass er durch die erlittenen Verletzungen vollständig berufsunfähig geworden sei.

Der relevante Artikel 7.6 der AUVB lautet auszugsweise:

6. Berufungsunfähigkeit
(…)
Vollständige Berufsunfähigkeit bedeutet: Der Versicherte ist infolge des Unfalls voraussichtlich auf Lebenszeit überwiegend (mehr als 50 % im Vergleich mit einem körperlich und geistig Gesunden mit vergleichbaren Fähigkeiten und Kenntnissen) außerstande, seinen zum Zeitpunkt des Unfalls ausgeübten Beruf auszuüben. Diese Erwerbstätigkeit darf dann auch tatsächlich nicht mehr ausgeübt werden.
(…)

Wie ist die Rechtslage?

Für das Berufungsgericht stellte sich im konkreten Fall die Frage, ob Artikel 7.6 AUVB in quantitativer oder qualitativer Hinsicht zu verstehen sei.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, hält der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 7 Ob 103/22f jedoch fest, dass die Beurteilung der Berufsunfähigkeit bzw. deren Grades nicht entweder nach quantitativen oder nach qualitativen Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Der Grad der Berufsunfähigkeit kann sich vielmehr aus einem (quantitativen) Herabsinken der beruflichen Leistungsfähigkeit aber auch daraus ergeben, dass der Versicherungsnehmer prägende wesentliche Einzelverrichtungen seiner Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.

Relevant ist dabei das konkrete (gesamte) Tätigkeitsbild des Versicherten. Besteht die Tätigkeit somit aus mehreren Teiltätigkeiten, so ist festzustellen in welchem Umfange der Versicherte diese quantitativ oder qualitativ nicht mehr ausüben kann, und welche Teiltätigkeiten für den Beruf prägend sind.

Kann eine prägende und wesentliche Tätigkeit aufgrund der Beeinträchtigung nicht mehr ausgeübt werden, so ist die versicherte Person vollständig berufsunfähig, unabhängig davon, welchen Zeitanteil diese prägende Tätigkeit im Berufsalltag eingenommen hat.

Schlussfolgerung

Die Berufsunfähigkeit im Rahmen einer privaten Unfallversicherung bestimmt sich sowohl nach quantitativen als auch qualitativen Aspekten. Ausschlaggebend ist das gesamte Tätigkeitsbild. Das Herabsinken der Berufsfähigkeit kann sich dabei daraus ergeben, dass der Versicherte Teiltätigkeiten quantitativ oder qualitativ nur mehr eingeschränkt vornehmen kann. Können für das Berufsbild prägende Tätigkeiten jedoch nicht mehr ausgeführt werden, liegt vollständige Berufsunfähigkeit vor.

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