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Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung

(Bild: © crizzystudio – stock.adobe.com)

Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung

20. Juni 2023

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4 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Folgender Fall: Zwischen den Versicherungsnehmern und dem Versicherer besteht seit 14.03.2018 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, der den Rechtsschutzbaustein „Grundstückseigentum und Miete“ beinhaltet. Die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen lauten auszugsweise wie folgt:„Gemeinsame Bestimmungen Artikel 2 Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

Artikel von: Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

[…] 3. […] gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder der behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquate ursächliche Verstoß maßgeblich.[…]“

Die Versicherungsnehmer erhielten von deren Nachbarin im März 2022 ein Schreiben, in dem ihnen vorgeworfen wurde, dass der von Ihnen zwischen 2009 und 2011 errichtete und umzäunte Garten mehr als 500 m² in die Parzelle der Nachbarin hineinragen würde. Aus diesem Grund drohte die Nachbarin mit einer Besitzstörungs- oder Eigentumsfreiheitsklage. Die Versicherungsnehmer begehrten daher von deren Versicherung Rechtsschutzdeckung für eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der Nachbarin. Da der Rechtsschutzversicherer Vorvertraglichkeit einwendete, landete der Fall vor dem Oberste Gerichtshof (OGH).

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 19.04.2023 führte der OGH (7 Ob 42/23m) zunächst aus, dass es für einen Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung eines gesetzwidrigen oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten bedürfe, das als solches nicht sofort oder nicht ohne Weiteres nach außen zu dringen brauche. Ein Verstoß sei ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Es komme nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war. Es solle sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es komme weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten von dem Verstoß Kenntnis erlangen, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden. Für die Beurteilung der Frage, ob Versicherungsschutz zu gewähren ist, sei entscheidend, ob die Behauptung des Gegners des Versicherungsnehmers Grundlage der außergerichtlichen Auseinandersetzung oder des Prozesses wird. Ist dies der Fall, gelte der Versicherungsfall im Zeitpunkt des (vom Gegner des Versicherungsnehmers behaupteten) Beginns des Verstoßes des Versicherungsnehmers als eingetreten. Ausgehend davon kam der OGH daher zum Ergebnis, dass der Keim des gegenständlichen Rechtskonflikts und damit der Verstoß als Eintritt des Versicherungsfalls im vorliegenden Fall in der Nutzung des strittigen Grundstücksteils – welches die Nachbarin als zu ihrem gehörig erachtet – ab der Anlegung des Gartens durch die Versicherungsnehmer im Jahr 2009 liege.

Dieses Ereignis liege lange vor Abschluss des Versicherungsvertrags im Jahre 2018. Durch die Beanstandung mit dem Schreiben im März 2022 aktualisiere sich nach Ansicht des OGH lediglich der bereits in der Nutzung dieses Grundstücksteils gründende Rechtskonflikt. Im Ergebnis habe daher der Versicherer keine Rechtsschutzdeckung zu gewähren.

Schlussfolgerung

Dazu Rechtsanwalt Dr. Roland Weinrauch: „Zur Beurteilung des Eintritts des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung werden nach der ständigen Rechtsprechung des OGH grundsätzlich vom Gegner behauptete Verstöße des Versicherungsnehmers herangezogen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer sich des behaupteten Verstoßes bewusst war.“



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