Gemäß § 152 VersVG besteht in der Haftpflichtversicherung keine Deckung, wenn der Versicherungsnehmer (VN) vorsätzlich den Eintritt der Tatsache, für die er dem Dritten verantwortlich ist, widerrechtlich herbeigeführt hat, d.h. der VN muss den Schadeneintritt bewusst wollen. Diese Bestimmung ist dispositiv und kann in den Bedingungen auch zum Nachteil des VN abgeändert werden, wie die Entscheidung OGH 7 Ob 185/24t vom 18.12.2024 anschaulich zeigt.
Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger
Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems
Der VN, ein Arzt, führte bei drei Patientinnen Anästhesieleistungen durch. Dazu verabreichte er der ersten Patientin intravenös das Narkosemittel Propofol von der von ihm selbst angebrochenen, bereits benutzten Flasche. Danach entnahm er mit derselben Spritze Propofol aus einer neuen Flasche und verabreichte dieses den beiden weiteren Patientinnen ebenfalls intravenös. Entgegen den einschlägigen Vorschriften hatte er die angebrochene Flasche am Vortag nicht entsorgt, sondern über Nacht bei sich zu Hause gelagert, wodurch es zu einer Kontamination ihres Inhaltes mit einem Darmkeim gekommen war. Aufgrund der Verabreichung des kontaminierten Propofols erlitten die drei Patientinnen eine schwere Sepsis, an der eine Patientin verstarb. Der VN hatte Kenntnis von den einschlägigen Gebrauchsanweisungen zur konkreten Anwendung, Lagerung und Entsorgung von Propofol. Er wusste über die Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen bei dessen Anwendungen Bescheid. Insbesondere hatte er Kenntnis von der besonderen Verkeimungsgefahr der fetthaltigen Lösung und wusste, dass das Injizieren eines Keims in die Blutbahn eine Sepsis auslösen und zum Tod führen kann. Die Deckungsklage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Vorinstanzen vertraten, dass sich die Bedenken und der Entschluss des VN auf den dem Schadenerfolg vorgelagerten Umstand bezogen habe. Unabhängig davon, ob der Vorsatz auf den Schadeneintritt gerichtet gewesen sei, so habe er jedenfalls Kenntnis von den Vorschriften und den Folgen gehabt, die durch sein Handeln möglicherweise eintreten könnten. Er habe daher bewusst diesen Vorschriften zuwidergehandelt und in Kauf genommen, dass durch seine Handlungen die gegenständlichen Schadeneintritte wahrscheinlich eintreten würden. Bereits der Risikoausschluss des Artikel 7.2.1 AHVB sei daher verwirklicht.
Kommentar
Gemäß Artikel 7.2.1 AHVB wird dem Vorsatz gleichgehalten eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadeneintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde. Nach ständiger Judikatur braucht sich der Vorsatz des VN nur auf das Zuwiderhandeln, nicht aber auch auf die damit möglicherweise verbundenen Schadenfolgen erstrecken. Selbst wenn der VN den Eintritt des Schadens nicht billigt, sondern im Gegenteil hofft, dass er nicht eintreten werde, reicht der bewusste Verstoß für sich allein schon aus, um die Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken (siehe RS 0081721). Auf Grund des leichtsinnigen Verhaltens des VN war für ihn nichts zu gewinnen. Klägerin war eine Klinik, weil sich die Geschädigten vermutlich auf Grund des Behandlungsvertrags an die Klinik gewendet haben, die für den Arzt gemäß § 1313a ABGB haftet. Mit der interessanten Frage, ob die Klinik überhaupt geschädigte Dritte im Sinne des § 52d Abs. 6 ÄrzteG ist und daher den Versicherer direkt klagen konnte, musste sich der OGH wegen der fehlenden Deckung leider nicht auseinandersetzen.
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