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Vertragsrücktritt wegen Arglist

(Bild: © skywalk154 – stock.adobe.com)

Vertragsrücktritt wegen Arglist

30. April 2024

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4 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Gemäß den §§ 16 ff. VersVG hat der Versicherungsnehmer (VN) beim Abschluss des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Damit soll dem Versicherer die Prüfung des Risikos ermöglicht werden. Eine besondere Verschärfung der Konsequenzen dieser Regel ist beim Vorliegen arglistiger Täuschung gegeben, wie die Entscheidung des OGH 7 Ob 218/23v vom 24.01.2024 zeigt.

Artikel von:

Dr. Wolfgang Reisinger

Dr. Wolfgang Reisinger

Lektor WU Wien und der Donau-Universität Krems

Der VN wurde im April 2012 stationär wegen einer psychischen Störung durch multiplen Substanzgebrauch (Cannabis, LSD, Kokain) und Konsum anderer psychotroper Substanzen behandelt. Nach seiner Entlassung nahm er etwa drei Monate Psychopharmaka ein und unterzog sich im Zeitraum Juni 2012 bis September 2013 insgesamt vier Kontrolluntersuchungen. Dann war seine Behandlung abgeschlossen, er nahm keine Medikamente mehr und hatte keine Beeinträchtigungen. Am 01.08.2014 schloss der VN eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab. Die im Antrag enthaltenen Fragen nach Drogenkonsum, regelmäßigen Behandlungen oder Kontrollen in den letzten fünf Jahren, stationären Aufenthalten sowie psychischen Erkrankungen in den letzten zehn Jahren wurden verneint. Der Versicherer trat per 01.08.2021 wegen arglistiger Täuschung vom Vertrag zurück. Der Rücktritt wurde vom OGH bestätigt.

Entscheidungsgründe

Arglist im Sinne des § 22 VersVG erfordert, dass der VN durch die Falsch- oder Nichtbeantwortung auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen wird, wenn er (vollständig) die Wahrheit sagt. Es steht fest, dass der VN die Fragen zu seinem früheren Drogenkonsum und der psychischen Erkrankung deshalb unrichtig beantwortete, weil ihm bewusst war, dass die wahrheitsgemäße Beantwortung Einfluss auf den Abschluss des Versicherungsvertrages haben kann. Er unterließ also bewusst jeden Hinweis auf früheren Drogenkonsum und die psychische Krankheit, damit der Versicherer den Versicherungsantrag nicht ablehnt oder nur unter erschwerten Bedingungen annimmt.

Kommentar

Arglist ist nicht zwingend mit Schädigungsvorsatz verbunden. Bei arglistiger Falschbeantwortung oder Verschweigung relevanter Umstände möchte sich der Antragsteller einen Vertrag „erschleichen“, den er bei wahrheitsgemäßen Angaben nicht bekommen hätte. Der Vertrag wird rückwirkend („ex tunc“) aufgelöst, weshalb der Versicherer die erhaltenen Prämien zurückzahlen muss. Weil die Anfechtung meist im Zusammenhang mit einem Schadenfall erfolgt, liegt der Vorteil des Versicherers aber darin, dass für die Leistungsfreiheit keine Kausalität erforderlich ist. Das Vorliegen von Arglist muss der Versicherer beweisen. Es besteht nämlich kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass ein VN, der Antragsfragen bewusst unrichtig beantwortet, regelmäßig auch mit Arglist in Bezug auf die Willensbildung des Versicherers handelt. Gemäß § 163 VersVG (Lebensversicherung) und § 178k VersVG (Krankenversicherung) kann der Versicherer wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht nicht mehr zurücktreten, wenn – wie hier – seit dem Abschluss drei Jahre verstrichen sind. Das Rücktrittsrecht bleibt aber bestehen, wenn die Anzeigepflicht arglistig verletzt wurde. Diese Bestimmung gilt kraft Analogie auch für die Berufsunfähigkeitsversicherung (OGH 7 Ob 21/18s), weil diese im VersVG nicht geregelt ist, aber Ähnlichkeiten mit anderen Personenversicherungen aufweist, nicht jedoch in der Unfallversicherung.

Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact Mai-Ausgabe!

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