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Unfallversicherung: Die drei Unfalldefinitionen

Unfallversicherung: Die drei Unfalldefinitionen

31. August 2021

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6 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Artikel 6 der AUVB enthält zwei Unfalldefinitionen. Artikel 6.1 definiert den klassischen Unfallbegriff, Artikel 6.2 beschreibt Ereignisse (eigentlich Verletzungen), die unter Versicherungsschutz fallen, auch wenn kein Ereignis, das dem klassischen Unfallbegriff entspricht, vorliegt. Daneben gibt es noch eine eigene Unfalldefinition für die Bergungskosten.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 8/31/2021

Klassischer Unfallbegriff

Die Bestimmung in den AUVB lautet: „Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet.“

Von diesem Unfallbegriff sind beispielsweise folgende Ereignisse umfasst:

  • Kollision auf einer Skipiste
  • Aufprall gegen eine Mauer
  • Stolpern über Baumwurzel beim Joggen
  • Umknicken des Fußes an Gehsteigkante oder infolge Bodenvertiefung
  • Hundebiss
Erweiterter Unfallbegriff (Unfallfiktion)

Als Unfall gelten auch folgende Ereignisse (Verletzungen): Verrenkungen von Gliedern sowie Zerrungen und Zerreißungen von an Gliedmaßen und an der Wirbelsäule befindlichen Muskeln, Sehnen, Bändern und Kapseln sowie Meniskusverletzungen.

Für diese Verletzungen besteht Versicherungsschutz auch wenn der klassische Unfallbegriff nicht erfüllt ist. Ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis ist daher nicht Leistungsvoraussetzung. Zu beachten ist, dass einige Bedingungswerke von Versicherungsunternehmen eine der beiden zusätzlichen Leistungsvoraussetzungen enthalten:

  • Erhöhte Kraftanstrengung
  • Plötzliches Abweichen vom geplanten Bewegungsablauf

Durch die weitere Leistungsvoraussetzung wird der Deckungsumfang eingeschränkt.

Bei der erhöhten Kraftanstrengung sind lt. OGH die im Rahmen alltäglicher Bewegungen vorkommenden Bewegungen (Abläufe) Maßstab für die Beurteilung, ob eine darüber hinausgehende „erhöhte Kraftanstrengung“ gegeben ist, sodass bei Ausübung einer Sportart auch „übliche“ und typische Abläufe, selbst wenn sie – gemessen an der Sportart – nicht in erhöhtem Maß kraftvoll ausgeübt werden, davon umfasst sind; auf individuelle körperliche Konstitution und Kräfteverhältnisse ist dabei nicht abzustellen. Geht man von dieser Auslegung aus, ist ein Aufschlag beim Tennis – mag er auch einer „normalen Aufschlagbewegung“ in diesem Sport entsprechen – kein normaler Bewegungsablauf, wie er im alltäglichen Leben mit von üblichem Kraftaufwand begleiteter körperlicher Bewegung verbunden ist, sondern stellt eine „erhöhte Kraftanstrengung“ dar, auch wenn der Versicherte den Sport regelmäßig ausübt. Ob eine erhöhte Kraftanstrengung vorliegt und somit nach der angeführten Bedingungslage Versicherungsschutz besteht, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei die Abgrenzung häufig Schwierigkeiten verursacht. In Deutschland wurde bei vergleichbarer Bedingungslage in folgenden Fällen beispielsweise eine erhöhte Kraftanstrengung bejaht: Abladen schwerer Kisten, Muskelfaserriss beim Vorführen einer Kräftigungsübung; in folgenden Fällen wurde in Deutschland das Vorliegen erhöhter Kraftanstrengung verneint: Reinigung einer Windschutzscheibe, Normales Tanzen mit Hüpfen und mit Drehungen.

Unfallbegriff bei den Bergungskosten

Liegt kein plötzliches, für die versicherte Person unentrinnbares Ereignis vor, weil die versicherte Person etwa aufgrund der gegebenen Wetterverhältnisse (ohne einen plötzlichen, unerwarteten Wetterumschwung) Erfrierungen erleidet, ist die versicherte Person zwar verletzt, aber es sind die Voraussetzungen für den Unfallbegriff nicht erfüllt. Daraus folgt, dass grundsätzlich keine Leistung aus einem Leistungsbaustein in der Unfallversicherung erfolgt. Muss die versicherte Person als Folge dieser Erfrierungen aber geborgen werden, ist die Leistungsvoraussetzung für die Bergungskosten erfüllt. Zwar liegt kein Unfall vor, aber die versicherte Person ist dennoch in Bergnot geraten und muss verletzt geborgen werden. Daraus folgt, dass die Kosten für die Bergung ersetzt werden, weil der für die Bergungskosten auf Berg-, See- oder Wassernot „erweiterte“ Unfallbegriff erfüllt ist.

Der Versicherer leistet aber auch, wenn die versicherte Person unverletzt aus Berg-, See- oder Wassernot geborgen werden muss. Zieht bei einer Alpintour plötzlich so starker Nebel auf, dass die versicherte Person nicht mehr weitergehen kann, liegt ein plötzlich von außen wirkendes Ereignis vor. Insofern wäre der Unfallbegriff des Artikel 6 AUVB erfüllt, würde es nicht an der Gesundheitsschädigung fehlen. Auch hier greift der „erweiterte“ Unfallbegriff für die Bergungskosten: Versicherungsschutz besteht demnach auch, wenn die versicherte Person keine Gesundheitsschädigung erleidet, also unverletzt geborgen werden muss. Versicherungsschutz besteht aber auch, wenn kein plötzlich von außen wirkendes Ereignis vorliegt. Traut sich die versicherte Person etwa aufgrund des abschüssigen Geländes nicht mehr weiterzugehen, liegt gar kein plötzlich von außen wirkendes Ereignis und auch keine Gesundheitsschädigung vor. Dennoch werden die entstehenden Bergekosten vom Versicherer ersetzt, weil das Vorliegen eines plötzlich von außen wirkenden Ereignisses nicht Leistungsvoraussetzung ist.

Fazit

Bei der Deckungsprüfung in der Unfallversicherung sollten immer alle in den Bedingungen enthaltenen Unfalldefinitionen überprüft werden.

Quellen: AUVB Kommentar (Verlag Österreich), versdb SCHADENANALYSE

Autor: Ewald Maitz, MLS (Foto) – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

Titelbild: ©vchalup – stock.adobe.com

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