Die betriebliche Altersvorsorge (BAV) gewinnt angesichts wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen an Bedeutung. Wie sich der Markt verändert und wo noch Reformbedarf besteht, erläutert Mag. Thomas Wondrak, Leiter des Lehrgangs Sozialkapital und Eigentümer der bAV-Akademie.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 21.11.2025

Mag. Thomas Wondrak, Leiter des Lehrganges Sozialkapital und Eigentümer der bAV-Akademie (www.konsequent-lernen.at)
Der Markt für betriebliche Altersvorsorge zeigt sich derzeit in starker Aufwärtsbewegung. „Das liegt daran, dass der Garantiezins in der klassischen Lebensversicherung weiterhin bei null liegt, die Pensionskassen und die fondsgebundene Lebensversicherung aber eine durchwegs positive Performance aufweisen“, erklärt Mag. Thomas Wondrak. Die solide wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen und gestiegene Lohnabschlüsse tragen laut Wondrak ebenso dazu bei wie die aktuelle Debatte über die Zukunft der staatlichen Pension. Diese veranlasse viele, sich intensiver mit Vorsorgefragen zu beschäftigen. „Es ist erfreulich, dass sowohl Unternehmen als auch Mitarbeiter derzeit bereit sind, in Vorsorge zu investieren. Der kollektive Gedanke wird dabei als wichtiges Element empfunden“, so Wondrak weiter.
Verantwortung der Politik und Rolle der Kommission
Im Regierungsprogramm seien Fachthemen zur BAV erfreulicherweise enthalten, so Wondrak. Entscheidend sei aber, dass man auf dem eingeschlagenen Weg nicht stehen bleibe. Besonders wichtig sei, dass die Alterssicherungskommission künftig auch die zweite und dritte Säule berücksichtige. „Es ist dringend nötig, dass Politik, Medien und letztlich die Bevölkerung ein ehrliches, transparentes und faktenbasiertes Bild von allen drei Säulen erhalten. Darauf aufbauend muss es ein gemeinsames Bild, eine Vision für eine stabile Pensionszukunft geben“, betont Wondrak. Dass dafür keine Daten vorhanden seien, könne er nicht nachvollziehen. „Daten sind für die Analyse der österreichischen Pensionslandschaft ausreichend vorhanden. Auch für den BAV-Markt gibt es belastbares Material. Die kann man sich sogar jedes Jahr bei unserer BAV-Konferenz anschauen.“
Innovationsbedarf bei den Anbietern
Neben der politischen Verantwortung sieht Wondrak auch die Anbieter in der Pflicht. „Produktanbieter müssen mit innovativen Ideen zur Stärkung der BAV beitragen. Das reicht von flexibleren Modellen bei Pensionskassen bis zu neuen Rückdeckungsansätzen für Manager. Dies gilt es zu erarbeiten – auch wenn es unbequem ist“, sagt Wondrak. Der Gestaltungswille sei entscheidend. „Was wir heute tun, prägt die Versorgung der nächsten Generationen. Das ist unsere Verantwortung.“
Fachkräftemangel verändert die Wahrnehmung
Die zunehmende Bedeutung der BAV zeigt sich auch im Kontext des Arbeitsmarkts. „Sie ist ein ganz wesentliches Element im Bereich der Benefits und steht meist ganz oben, wenn es um Erwartungen an den Arbeitgeber geht. Überraschenderweise ist das auch seit ein paar Jahren bei Lehrlingen zu bemerken“, erklärt Wondrak. Er führt das auf ein besseres Finanzwissen und einen bewussteren Umgang mit Geld zurück. „Das ist sehr erfreulich und muss intensiv gefördert werden, denn eines ist klar: Pensionen betreffen nicht nur die Alten, sondern vor allem die Jungen in diesem Land.“
Systematische Lücken und Reformbedarf
Trotz des wachsenden Interesses sieht Wondrak nach wie vor strukturelle Benachteiligungen. „Freie Mitarbeiter und über 300.000 Einzelunternehmer sind steuerlich benachteiligt oder ausgeschlossen. Dabei wird völlig übersehen, dass Einzelunternehmer ja in vielen Fällen Mitarbeiter beschäftigen“, kritisiert er. Die Bereitschaft, für Mitarbeiter eine BAV einzurichten, sei gering, wenn der oder die Unternehmer selbst nicht vorsorgen könne. „Beide Probleme wären mit kleinen gesetzlichen Eingriffen rasch lösbar.“
Spezialisierung und Qualifikation in der Beratung
Für Vermittlerstellt sich laut Wondrak die Frage, ob man sich auf BAV spezialisiert oder mit Experten kooperiert. „Ohne Spezialisierung wird es nicht gehen, wenn man das Thema alleine betreuen will. Eine seriöse Ausbildung und laufende Fortbildung sind dafür ein Must-have“, sagt er. „Wer das im BAV-Bereich nicht möchte, sucht sich einen seriösen und verlässlichen Partner, der dieses Thema auch mit Leidenschaft betreut.“
Gleichzeitig betont Wondrak die Bedeutung ganzheitlicher Beratung. „Vermittler sind gesetzlich verpflichtet, die beste Lösung für den Kunden zu finden. Das setzt voraus, dass das Know-how über alle Vorsorgeinstrumente vorhanden ist“, erklärt er. „Es genügt nicht, dass man sich in der BAV nur auf einen Durchführungsweg spezialisiert. Die Haftungsgefahr ist dann sehr groß, da man den Kunden nicht über alle Möglichkeiten aufgeklärt hat.“
Komplexität relativieren, Aus- und Weiterbildung fördern
Die häufig geäußerte Ansicht, die BAV sei besonders kompliziert, hält Wondrak für überzogen. „Das Produkt als solches ist relativ einfach, aber auch bei einer Kfz- oder Haushaltsversicherung gibt es komplexe juristische und wirtschaftliche Hintergründe. Die Vermittler müssen diese Hintergründe lernen, anwenden und sich auch am Laufenden halten“, sagt er. „Der Lehrgang Sozialkapital und die ergänzenden Webinare und Seminare bieten diese Aus- und Fortbildung in der BAV.“
Zunehmende Bedeutung der BAV
In den nächsten zehn Jahren erwartet Wondrak deutliche Veränderungen im Pensionssystem. „Es wird Veränderungen, Einschnitte, aber auch Verbesserungen im System der staatlichen Vorsorge geben. Auch wenn die BAV niemals ein Ersatz für die staatliche Vorsorge sein wird, wird ihre Bedeutung in den nächsten Jahren stark ansteigen“, erklärt er. „Die BAV wird als Ergänzung allen Bevölkerungsteilen zur Verfügung stehen. Mehr Flexibilität (Überbrückungspensionen, Versorgung in der Pflege, individuellere Veranlagung) wird die Attraktivität der BAV weiter erhöhen.“
„Wesentlich ist meiner Ansicht nach eine faktenbasierte, möglichst neutrale und unabhängige Sicht auf das Pensionsthema – und eine gemeinsame Vision“, sagt Wondrak abschließend. „Nur so kann die Altersvorsorge in Österreich nachhaltig weiterentwickelt werden.“
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