zurück zur Übersicht

Beitrag speichern

(Pflicht-)Haftpflicht: Risikoausschluss bei bewusstem Zuwiderhandeln

(Bild: © HN Works - stock.adobe.com)

(Pflicht-)Haftpflicht: Risikoausschluss bei bewusstem Zuwiderhandeln

13. Mai 2025

|

5 Min. Lesezeit

|

Im Blickpunkt

Ein Arzt verstößt wissentlich gegen Hygienevorschriften und verursacht dadurch bei drei Patientinnen eine lebensgefährliche Sepsis – eine Frau stirbt. Die Haftpflichtversicherung verweigerte die Zahlung mit Verweis auf einen Risikoausschluss wegen bewussten Zuwiderhandelns gegen Vorschriften. Der Fall landete beim OGH. (7 Ob 185/24t)

Artikel von:

Dr. Roland Weinrauch

Dr. Roland Weinrauch

Gründer der Kanzlei Weinrauch Rechtsanwälte|https://weinrauch-rechtsanwaelte.at/

Der Versicherungsnehmer war in seiner Tätigkeit als Arzt beim Versicherer haftpflichtversichert. Es handelte sich hierbei um eine Haftpflichtversicherung, zu deren Abschluss eine gesetzliche Verpflichtung besteht (Pflichtversicherung). Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2004) lauten auszugsweise wie folgt:

„Artikel 7 Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)
[...]
2. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten
2.1 eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (zB im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);"

Der Versicherungsnehmer führte bei drei Patientinnen Anästhesieleistungen durch. Dazu verabreichte er der ersten Patientin intravenös ein Narkosemittel aus einer am Vortag von ihm selbst angebrochenen, bereits benutzten Flasche. Entgegen den einschlägigen Vorschriften hatte er die angebrochene Flasche am Vortag nicht entsorgt, sondern über Nacht bei sich zu Hause gelagert, wodurch es zu einer Kontamination ihres Inhalts mit einem Darmkeim gekommen war. Mit derselben Spritze entnahm er das Narkosemittel aus einer neuen Flasche und verabreichte dieses den beiden weiteren Patientinnen ebenfalls intravenös. Durch die Verwendung derselben Spritze wurde auch die zweite, nicht angebrochene Flasche des Narkosemittels kontaminiert. Aufgrund der Verabreichung des kontaminierten Narkosemittels erlitten die drei Patientinnen eine schwere Sepsis, an denen eine Patientin verstarb. Der Versicherungsnehmer hatte Kenntnis von den einschlägigen Gebrauchsanweisungen zur konkreten Anwendung, Lagerung und Entsorgung des Narkosemittels. Er wusste über die Gefahren und Vorsichtsmaßnahmen bei dessen Anwendung Bescheid. Insbesondere hat er Kenntnis von der besonderen Verkeimungsgefahr und wusste, dass das Injizieren eines Keims in die Blutbahn eine Sepsis auslösen und zum Tode führen kann.

Aufgrund des geschilderten Verhaltens des Versicherungsnehmers begehrte der Krankenhausträger vom Haftpflichtversicherer die Zahlung von 450.000 Euro an Schadenersatz und die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftige Folgen und Schäden, die auf den Sorgfaltsverstoß des Versicherungsnehmers zurückzuführen sind.

Wie ist die Rechtslage?

In seiner Entscheidung vom 18.12.2024, Aktenzeichen: 7 Ob 185/24t, führte der Oberste Gerichtshof (OGH) zunächst aus, dass Art 7.2.1 AHVB zulässig und auch dem Dritten gegenüber wirksam ist. Art 7.2. AHVB schließe parallel zu § 152 VersVG den Versicherungsschutz für Schäden aus, die der Versicherte rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt hat. Dem Vorsatz werde in Art 7.2.1 AHVB die Inkaufnahme des Schadens, der als Folge einer Handlung oder Unterlassung mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, gleichgestellt.

Diese Bestimmung sei dahin zu verstehen, dass sich – anders als beim eigentlichen Vorsatzausschluss – das Bedenken und der Beschluss des Versicherungsnehmers nicht auf den Schadenerfolg selbst, sondern nur auf einen diesem Erfolg vorgelagerten Umstand beziehen muss, der eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass es wirklich zum Eintritt des Schadens kommen kann. Selbst wenn der Versicherungsnehmer den Eintritt des Schadens nicht billigt, sondern im Gegenteil hofft, dass er nicht eintreten werde, reiche der bewusste Verstoß für sich allein schon aus, um die Leistungsfreiheit des Versicherers zu bewirken.

Der OGH kam im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass der Risikoausschluss des Art 7.2.1 AHVB verwirklicht wurde. Der Versicherungsnehmer habe jedenfalls Kenntnis von den Vorschriften und den Folgen gehabt, die durch sein Handeln möglicherweise eintreten könnten, unabhängig davon, ob der Vorsatz auf den Schadeneintritt gerichtet gewesen ist. Er habe daher bewusst diesen Vorschriften zuwidergehandelt und in Kauf genommen, dass durch seine Handlungen die gegenständlichen Schadenseintritte wahrscheinlich eintreten würden.

Schlussfolgerungen

Der Risikoausschluss des Art 7.2.1 AHVB wird bereits dann verwirklicht, wenn sich der Vorsatz des Versicherungsnehmers (nur) auf das Zuwiderhandeln von einschlägigen Normen erstreckt. Es ist gerade nicht erforderlich, dass sich der Vorsatz auch auf die damit möglicherweise verbundenen Schadenfolgen erstreckt.

zurück zur Übersicht

Beitrag speichern

sharing is caring

Das könnte Sie auch interessieren


Ihnen gefällt dieser Beitrag?

Dann hinterlassen Sie uns einen Kommentar!

(Klicken um Kommentar zu verfassen)