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Jesenitschnig: „Habe mich oft mehr als Lebensberater denn als Versicherungsberater gefühlt“

Jesenitschnig: „Habe mich oft mehr als Lebensberater denn als Versicherungsberater gefühlt“

14. Februar 2023

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6 Min. Lesezeit

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Im Blickpunkt

Mit 72 ist Schluss: Nach gut 45 Jahren in der Versicherungsbranche tritt akad. Vkfm. Reinhard Jesenitschnig in den verdienten Ruhestand. Mehr als 18 Jahre hat der Kärntner sein umfangreiches Wissen im Schadenmanagement als Fachautor mit den Leserinnen und Lesern geteilt. Im Gespräch mit AssCompact zieht Reinhard Jesenitschnig Bilanz.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 2/14/2023

Vkfm. Reinhard Jesenitschnig begann 1974 in der Schadenabteilung der damaligen Ersten Allgemeinen Versicherung. Schnell begeisterte er sich für die Kfz-Haftpflicht, wollte aber bald auch in andere Sparten vordringen, was laut Jesenitschnig durch einen Wechsel zur Anker Versicherung möglich wurde: „Dort traf ich auf eine wunderbare Juristin, die mir in fünf Jahren Zusammenarbeit das Rüstzeug für meine spätere Schadentätigkeit mitgab. Dazu gehörte schon damals das Studium der Versicherungsbedingungen, die Besprechung von Judikaten, das Erkennen von Zusammenhängen und genaues Arbeiten. Diesbezüglich hat sich in den 48 Jahren meiner Tätigkeit nichts grundlegend geändert. Faszinierend für mich war immer, dass wir unsere Kundinnen und Kunden in vielen Lebenslagen begleiten, noch bevor sie das Licht der Welt erblicken und über ihren Tod hinaus. Denken Sie hier an die Gesundheitsvorsorge von Eltern und an die Rechtsschutzversicherung für Erbstreitigkeiten. Ich habe mich oftmals mehr als Lebensberater denn als Versicherungsberater gefühlt.“

Schadenbearbeitung erfordert genau Kenntnisse der Details und den Überblick zu behalten

Einen großen Schub in Richtung Komplexität in der Schadenbearbeitung bedeutete laut Jesenitschnig der Wegfall der Genehmigungspflicht von AVBs durch die Versicherungsaufsichtsbehörde im Jahr 1994: „Neben spartenbezogenen Bedingungen entwickeln sich heute bei unterschiedlichen Versicherern auch zusammengefasste Produktbedingungen, beispielsweise ‚Eigenheim‘, zusätzlich ergänzende, Sonder- und sonstige Bedingungen, darüber hinaus auch eine Vielzahl von Klauseln. Unterschiedliche Bedingungsgenerationen bei ein und demselben Versicherer verschärfen zudem die Problematik.“ Diese Variantenvielfalt erfordere von Versicherungsmaklern einen guten Überblick über das Ganze, aber auch sehr genaue Kenntnisse der Details, so Jesenitschnig und ergänzt: „Komplexe Unterlagen können damit sehr schnell kompliziert werden. Und dabei habe ich hier für den Versicherungsmakler noch gar nicht die subjektive Komponente ‚Schadenreferent‘ einbezogen. Solange wir noch mit menschlichen Wesen kommunizieren können, spielt Psychologie sehr stark in die Schadenbearbeitung hinein. Wenn jemand dieses breite und heterogene Spektrum beherrscht, wird die Schadenbearbeitung zwar nicht weniger komplex, verliert aber den Schrecken der Kompliziertheit.“

Versicherer lehnen Schäden heute nicht generell ab, aber doch häufiger

Jesenitschnig ist der Meinung, dass Versicherer Schäden zwar nicht generell, aber doch häufiger ablehnen: „Das mag an der Schnelllebigkeit unserer Zeit liegen aber auch am Abnehmen von Eigenverantwortung und damit Entscheidungskompetenz bei Schadenreferenten. Sachverständige berichten mir immer wieder, dass oftmals versucht wird, Entscheidungen auf sie abzuwälzen, die eigentlich Referenten zu treffen haben. Und mit einer – auch ungerechtfertigten – Ablehnung ist noch nichts passiert, schlimmstenfalls steht für den Referenten am Ende des Prozesses (hier im wörtlichen Sinn) ein Urteil, das dann die Ablehnung zunichtemacht. Vereinzelt haben verantwortungsvolle Schadenleiter für Ablehnungsfälle hierarchische Kompetenzebenen geschaffen, die so manchen Streitfall vermeiden helfen. Diese Beispiele sollten Schule machen. „

Um für ein professionelles Schadenmanagement gerüstet zu sein, sollte man Spezialisten mit an Board holen

Jesenitschnig rät Kolleginnen und Kollegen, die in das Schadenmanagement tiefer eintauchen wollen, dass sie Spezialisten in ihr Team aufzunehmen: „Das ist natürlich eine Kostenfrage und mit Provisionen allein nicht zu finanzieren. Ein gutes Schadenmanagement berechtigt, diese Leistung zu verrechnen, weil sie weit über die Vermittlung eines optimalen Versicherungsvertrages hinausgeht. Die Durchsetzung vertraglicher Vereinbarungen im Fall eines Schadens ist ein zweites Paar Schuhe, wenngleich die professionelle Schadenbearbeitung bereits mit Risikoanalyse und Vertragsgestaltung beginnt.“

Stark gewandeltes Risikopotenzial bedeutet enorme Herausforderungen für VersicherungsmaklerInnen

Jesenitschnig, der seinen Schwerpunkt in den klassischen Sachsparten hatte, insbesondere im Rahmen von Gebäude- und Inhaltsversicherungen, ist der Meinung, dass sich beispielsweise die Anzahl von Brandfällen verringert habe, aber durch den Wandel an Materialien, insbesondere hin zu Kunststoff wesentlich schadenintensiver und für Mensch und Tier gefährlicher geworden sei: „Es ist nicht mehr die unmittelbare Einwirkung des Feuers, sondern jene von teils hochgiftigen Rauchgasen, die zu immensen Schäden führen. Die Tendenz zu Akku-betriebenen elektronischen Geräten lässt diese immer häufiger zur Brandursache werden.“

Zudem sei aufgrund der klimatischen Veränderungen eine zunehmenden Häufigkeit von Wetterkapriolen zu erkennen: „Hagelniederschlag haben wir in der Kindheit als weiße Pracht im Sommer bestaunt, mangels Größe richteten sie kaum Schäden an. Seit einem verheerenden Hagelunwetter 2007 in Mittelkärnten sind solche Ereignisse für mich jedes Jahr an der Tagesordnung. Hinzu kommen Stürme, die ganze Waldstriche in Minuten vernichten und Häuser zerstören sowie Starkregen mit Erdrutschen und Murenabgängen. Auch diese Phänomene werden in unseren Breiten immer mehr zur Normalität. Hinzu kommen veränderte, schadenanfällige Baumaterialien und ein sich wandelndes Anspruchsbewusstsein bei Versicherten. Gepaart mit zunehmenden Risikoeinschränkungen und Leistungsbegrenzungen in Versicherungsverträgen bedeutet all das eine enorme Herausforderung für VersicherungsmaklerInnen.“

Das gesamte Interview lesen Sie in der AssCompact Februar-Ausgabe!

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