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EuGH zu Rücktrittsrecht: VVO plädiert für „sachliche Debatte“

EuGH zu Rücktrittsrecht: VVO plädiert für „sachliche Debatte“

20. Dezember 2019

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5 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern eine Vorabentscheidung zum Rücktrittsrecht in der Lebensversicherung getroffen. Während Konsumentenschützer „Rückenwind“ für Sammelklagen sehen, ortet der Versicherungsverband (VVO) einige „voreilige“ Aussagen.

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 12/20/2019

Nach einer grundlegenden Entscheidung des EuGH und einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) stand einem Versicherungsnehmer bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung durch den Versicherer ein unbefristetes Rücktrittsrecht zu, der sogenannte „Spätrücktritt“. Wie die Rückabwicklung genau zu erfolgen hat, wurde dem EuGH vorgelegt. Dieser entscheide die meisten Fragen zugunsten der Versicherungsnehmer, wie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) gestern betonte. Unter anderem könne die Rücktrittsfrist nicht zu laufen beginnen, wenn der Kunde eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung erhalten habe. Das Rücktrittsrecht erlösche nicht im Fall eines Rückkaufes (also im Fall einer vorzeitigen Kündigung nach Erklärung des Rücktritts). Eine Beschränkung auf den meist niedrigen Rückkaufswert sei unzulässig. Eine Beschränkung der Vergütungszinsen der nach einem Spätrücktritt zu erstattenden Prämien auf den Zeitraum der letzten drei Jahre ist unzulässig, wenn dadurch der Versicherungsnehmer abgehalten werden könnte, sein Rücktrittsrecht auszuüben, obwohl der Vertrag nicht seinen Bedürfnissen entspricht.

Vertragliche Formvorschrift?

Der VVO teilte heute in einer Aussendung mit, eine „eingehende Analyse“ des Urteils zeige, dass einige Aussagen „zum Teil wohl voreilig getroffen wurden und nicht dem entsprechen, was der EuGH entschieden hat“. Dies betreffe insbesondere die Schriftformerfordernis und die Auszahlung des Rückkaufswertes.

Rücktrittsbelehrungen für Lebensversicherungen seien laut Urteil sowohl dann korrekt gewesen, wenn sie für den Rücktritt Schriftform verlangt haben, als auch dann, wenn sie die Form des Rücktritts nicht erwähnt haben. Laut EuGH habe auch eine nach österreichischem Recht fehlerhafte Belehrung die Rücktrittsfrist ausgelöst, wenn sie dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen hat, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Denn dann wäre es, so der EuGH, unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen.

Zur Schriftform vertraue der VVO darauf, dass der Oberste Gerichtshof (OGH) „im Sinne der Rechtssicherheit“ entscheide. Denn nur eine schriftliche Rücktrittserklärung diene der Beweisbarkeit und der Feststellung der Identität. Würde der Versicherungsnehmer den Rücktritt mündlich erklären, hätte er ein grobes Beweisproblem. Verbraucherschützer würden sogar empfehlen, Rücktrittserklärungen eingeschrieben einzureichen.

Auszahlung des Rückkaufswerts bei Rücktritt

Mit der Entscheidung des EuGH hat sich erstmals ein Höchstgericht mit der entsprechenden Bestimmung beschäftigt, gemäß der ein Versicherer beim Rücktritt von einer Lebensversicherung den Rückkaufswert erstatten muss. Der EuGH betone jedoch, dass diese alte, nationale Regelung unionsrechtswidrig sei, weil dem Rücktrittsrecht damit die praktische Wirksamkeit des im Unionsrecht vorgesehenen Rücktrittsrechts entzogen werde Nachdem jedoch EU-Richtlinien nicht unmittelbar anwendbar seien, sondern von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssen, folge laut VVO daraus, dass die Regelung im Versicherungsvertragsgesetz zum Rückkaufswert anwendbar ist.

Der EuGH sage in der Entscheidung nichts darüber, wie hoch der Betrag sein muss, der im Falle eines nachträglichen Rücktritts aufgrund einer fehlenden oder fehlerhaften Rücktrittsbelehrung zurückgezahlt werden muss. Spekulationen mit nachträglichen Rücktritten, um eine höhere Rendite zu erzielen, lehne der EuGH ausdrücklich ab.

Ball liegt bei österreichischen Gerichten

Was weitere behauptete Belehrungsmängel angeht, habe der OGH zusätzlich mit einem erst kürzlich ergangenen Urteil einen weiteren Riegel vorgeschoben: Die Wiedergabe des Gesetzeswortlautes des damaligen § 165a VersVG war jedenfalls ausreichend. Es werde daher dem VVO zufolge wohl – wenn überhaupt – nur wenige Belehrungsmängel geben, die in Einzelfällen zu einem nachträglichen Rücktritt berechtigen.

Der Ball liege laut VVO nun bei den österreichischen Gerichten, die nach dem EuGH jeden Einzelfall individuell zu prüfen haben. Sammelklagen mit Pauschalbeurteilungen seien damit wohl nicht mehr zulässig. Etwas anders sieht das der VKI, der für rund 850 Personen insgesamt 16 Sammelklagen mit einem Gesamtwert von rund 14 Mio. Euro eingebracht hat. „Auf Basis der vorliegenden Entscheidung können die Gerichte in den Sammelverfahren zügig die eingeklagten Ansprüche beurteilen.“

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