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Courtagevereinbarungen: „Wolf im Schafspelz?“

Courtagevereinbarungen: „Wolf im Schafspelz?“

14. April 2021

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7 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Rein rechtlich betrachtet regelt die „Courtagevereinbarung“ das Vertragsverhältnis zwischen Versicherungsvermittler und Versicherer – so weit so gut. „Dabei geht es nicht um die Höhe der Provisionen selbst“, möchte ÖVM-Präsident Ing. Alexander Punzl ausdrücklich festhalten.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 4/14/2021

Von ÖVM-Präsident Ing. Alexander Punzl (Foto)

Wenn wir aber an unsere Courtagevereinbarungen denken haben wir zumeist nur die Provisionssätze im Kopf bzw. Fokus – so weit so schlecht! Denn wieviel Provision man bekommt, ist zweifelsohne interessant, aber viel wichtiger ist es zu wissen, unter welchen Voraussetzungen ich sie überhaupt bekomme bzw. wann sie mir vom Versicherer vorenthalten werden kann. Leider schenkt das Gros der Versicherungsvermittlerschaft viel zu wenig Augenmerk dem „wie“ und viel zu viel Beachtung dem „wieviel“.

Handelte es sich bei Courtagevereinbarungen bis vor wenigen Jahren noch um klare und verständliche Verträge, sind diese zwischenzeitig, nicht zuletzt infolge diverser gesetzlicher Neuregelungen, zu für Nichtjuristen unlesbaren Textmolochen angewachsen. Zuletzt haben Versicherer ihre Courtagevereinbarungen aus Anlass der Umsetzung der DSGVO oder IDD angepasst, allerdings auch Bestimmungen, welche mit der Umsetzung der DSGVO oder IDD in keinem Zusammenhang stehen, geändert bzw. eingefügt.

Trotzdem wurden diese neuen Vertragswerke von den Versicherungsvermittlern kaum hinterfragt und nicht selten – da dies von den Versicherern als Voraussetzung für die Zusammenarbeit verlangt wurde – als „notwendiges Übel“ mehr oder weniger ungeprüft unterfertigt. Von einer derartigen Praxis muss aus standespolitischer, aber auch juristischer Sicht dringend abgeraten werden.

Um die Überprüfung von Courtagevereinbarungen für VersicherungsmaklerInnen in der Praxis zu erleichtern, hat der Österreichische Versicherungsmaklerring – ÖVM dieses Thema daher gemeinsam mit dem Fachverband der Versicherungsmakler und Berater in Versicherungsangelegenheiten der WKO und dem Verband Österreichischer Versicherungsmakler VÖVM aufgegriffen und durch Rechtsanwalt Mag. Markus Freilinger die Courtagevereinbarungen von bisher 27 Versicherern analysieren und kommentieren lassen.

Mag. Markus Freilinger berichtet:

Besonderes Augenmerk wurde darauf gelegt, dass einige Versicherer Bestimmungen in die Courtagevereinbarung eingefügt haben, welche Maklerpflichten gegenüber dem Versicherer festschreiben, die über das gesetzliche Ausmaß weit hinausgehen und jedenfalls überschießend sind. Derartige Bestimmungen gefährden die Stellung des unabhängigen Versicherungsmaklers gem. § 26 MaklerG.

Es wurde besonders darauf geachtet, ob der/dem VersicherungsmaklerIn durch einzelne Vertragsbestimmungen Haftungserweiterungen und/oder Erweiterungen der ohnehin obliegenden gesetzlichen Pflichten auferlegt werden. Insbesondere Klauseln, die gesetzliche Pflichten, welche etwa gem. § 28 MaklerG, §§ 137 ff Gewerbeordnung 1994 oder den Standes- und Ausübungsregeln gegenüber den Kunden bestehen, zusätzlich zu vertraglichen Pflichten gegenüber dem Versicherer erheben, wurden als besonders nachteilig gewertet. Derartige Bestimmungen erweitern einerseits die gesetzlichen Verpflichtungen der/des VersicherungsmaklersIn, indem sie diese zu eigenständigen vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Versicherer erklären, andererseits resultieren daraus zusätzliche Haftungspotenziale gegenüber den Versicherern.

Besonders negativ hervorzuheben ist, dass einige Versicherer Qualitätskriterien zur Beurteilung der Vermittlungstätigkeit (Beratungsqualität, Zielmarktentsprechung und ähnliches) der/des VersicherungsmaklersIn aufgenommen haben und deren Nichteinhaltung mit der Reduzierung oder dem gänzlichen Entfall der Provision sanktionieren. Derartige Bestimmungen sind völlig unakzeptabel und dürfen keinesfalls akzeptiert werden.

Dies gilt auch, wenn sich einzelne Versicherer zur Beurteilung der eingeführten Qualitätskriterien im Streitfall der Entscheidung der Rechtsservice- und Schlichtungsstelle (RSS) unterworfen haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die §§ 131 Abs 2 und 132 Abs 3 VAG zu verweisen, wonach die Beratungspflichten des Versicherers nicht bestehen, wenn er sich zur Vermittlung berechtigter Dritter bedient, somit eingetragener Versicherungsvermittler, es sei denn, es bestünden Zweifel an der ordnungsgemäßen Beratung. Diese gesetzlichen Bestimmungen sind vollkommen ausreichend und verpflichten den Versicherer, die allenfalls fehlende Beratung dem Kunden gegenüber selbst zu erbringen.

Jene aktiven und passiven Kontrollpflichten, die dem Versicherer im Rahmen der Umsetzung der IDD auferlegt wurden rechtfertigen derart überschießende Regeln jedenfalls nicht und schaffen auch für den Versicherer zusätzliche Haftungspotenziale, da dadurch die Stellung der/des unabhängigen VersicherungsmaklersIn in Frage gestellt werden könnte.

Gleiches gilt, wenn in Courtagevereinbarungen etwa die Weiterbildungsverpflichtungen der/des VersicherungsmaklersIn gemäß Gewerbeordnung und Lehrplänen der WKO zur eigenständigen Verpflichtung gegenüber dem Versicherer erhoben werden.

Weitere Kritikpunkte

Weitere Kritikpunkte an einzelnen Bestimmungen in Courtagevereinbarungen ergeben sich etwa, wenn Maklerpflichten, welche über § 29 MaklerG hinausgehen, statuiert werden. Gemäß § 29 MaklerG hat der Versicherungsmakler im Verhältnis zum Versicherer vorwiegend jene Interessen zu wahren, die auch der Versicherungskunde selbst zu beachten hat. Insbesondere ist der Makler verpflichtet, den Versicherer bei der Vertragsanbahnung über ihm bekannte oder erkennbare besondere Risiken zu informieren.

Teilweise in Courtagevereinbarungen enthaltene Verpflichtungen, sämtliche vertragsbezogenen Informationen an den Versicherer weiter zu geben, kollidieren mit den Verpflichtungen der/des VersicherungsmaklersIn gem. §§ 27 und 28 MaklerG, wonach die/der VersicherungsmaklersIn als „Bundesgenosse“ des Kunden überwiegend dessen Interessen zu wahren hat. Vertragliche Ausweitungen dieser Pflichten der/des VersicherungsmaklersIn sind daher inakzeptabel.

Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um Ihr Einkommen und um das gedeihliche Fortkommen Ihres Versicherungsmaklerunternehmens, darum sein Sie bitte wachsam und kritisch, wenn Ihnen eine neue Courtagevereinbarung vorgelegt wird.

Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact April-Ausgabe!

Titelbild: ©Eigens – stock.adobe.com

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