Lebensversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen sind beide Personen- und Summenversicherungen und werden auch gerne als sinnvolle Ergänzung gemeinsam verkauft, wodurch sich aber auch Probleme ergeben können, wie die Entscheidung OGH 7 Ob 151/21p vom 24.11.2021 zeigt.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 4/26/2022
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Sachverhalt
Ein inzwischen verstorbener VN schloss einen Lebensversicherungsvertrag samt einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab. Die spätere Klägerin, die Ehefrau des VN, ist im Versicherungsantrag und auch in der Polizze als Bezugsberechtigte „im Ablebensfall“ angeführt. Sie begehrt aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung eine Leistung. Der Versicherer lehnte mit dem Argument ab, es bestehe kein Anspruch gegenüber der Klägerin, weil sich deren Bezugsrecht nur auf Leistungen im Ablebensfall und somit nur auf Leistungen aus der Lebensversicherung beziehe. Dieser Standpunkt wurde von allen Instanzen geteilt.
Entscheidungsgründe
Der Eintritt des Versicherungsfalls in der Lebensversicherung ist das Ableben der versicherten Person. Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der Bezugsberechtigte unmittelbar das widerrufliche Recht, die Versicherungsleistung zu fordern. In der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung stellt das Ableben gerade keinen Versicherungsfall dar, sondern nur der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, der Arbeitslosigkeit oder ein Krankenhausaufenthalt. Der Wille des VN, durch die Erklärung schon zu Lebzeiten auf seine Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu Gunsten der „Bezugsberechtigten“ zu verzichten, ist nicht erkennbar, weil diese erst bei seinem Tod bezugsberechtigt sein soll. Die Erklärung, dass das „Bezugsrecht im Ablebensfall“ der Klägerin zustehen solle, kann sich nur auf die Ablebensversicherung beziehen. Allfällige Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung fallen in die Verlassenschaft. Die Klägerin ist nicht aktiv legitimiert.
Kommentar
Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist im VersVG im Unterschied zu den anderen Personenversicherungen Leben, Kranken und Unfall nicht geregelt. § 166 VersVG trifft daher Regelungen über die Bezugsberechtigung nur in der Lebensversicherung, wozu die Berufsunfähigkeitsversicherung gerade nicht zählt. Eine Analogie ist nicht immer zulässig. In 7 Ob 21/18s hat der OGH bezüglich der Anwendung des § 163 VersVG (der Versicherer kann wegen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht vom Vertrag nicht mehr zurücktreten, wenn seit dem Abschluss drei Jahre verstrichen sind, außer die Anzeigepflicht wurde arglistig verletzt, eine Analogie vorgenommen, bezüglich § 166 VersVG lehnt er sie ab, aber mit einer nachvollziehbaren Begründung: Der VN ist bei Eintritt des Versicherungsfalls noch am Leben und der Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung besteht dahin, seinen sozialen Abstieg im Arbeitsleben und in der Gesellschaft, das heißt im sozialen Umfeld, zu verhindern. Aus diesem persönlichen Interesse kann sich keine Bezugsberechtigung für andere Personen als den VN ergeben, sodass ein allfälliger Anspruch – wie die Gerichte richtig festgestellt haben – bei späterem Tod des VN in den Nachlass fällt, sofern nicht bereits Leistungen an den VN erbracht wurden.
Den Beitrag lesen Sie auch in der AssCompact Mai-Ausgabe!
Titelbild: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com
zurück zur Übersicht
Beitrag speichern
sharing is caring
Das könnte Sie auch interessieren