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Verbandsklage: Mehrere Klauseln in Rechtsschutzversicherungs-Vertrag beanstandet

Verbandsklage: Mehrere Klauseln in Rechtsschutzversicherungs-Vertrag beanstandet

06. Dezember 2022

|

4 Min. Lesezeit

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OGH-News

Der Oberste Gerichtshof prüfte aufgrund einer Verbandsklage nach dem Konsumentenschutzgesetz die Rechtswirksamkeit von drei vom Versicherer in seinen Rechtsschutzversicherungsbedingungen verwendeten Klauseln (7Ob169/22m)

Artikel von:

Ewald Maitz, MLS

Ewald Maitz, MLS

Gründer und Geschäftsführer von versdb

Freie Anwaltswahl: Klausel intransparent

Klausel: „Das Wahlrecht nach Pkt. 1. und 2. bezieht sich nur auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Wenn am Ort dieses Gerichtes oder dieser Verwaltungsbehörde nicht mindestens vier solche Personen ihren Kanzleisitz haben, erstreckt sich das Wahlrecht auf eine im Sprengel des zuständigen Landesgerichtes ansässige vertretungsbefugte Person.“

Die Klausel findet sich in Art 10.3. ARB 2019. Art 10 ARB 2019 befasst sich unter anderem mit der freien Anwaltswahl des VN.

Eine Klausel in Rechtsschutzversicherungsbedingungen, wonach das freie Anwaltswahlrecht auf Personen eingeschränkt wird, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde haben, ist unvollständig und intransparent, selbst wenn sie sich am Gesetzestext orientiert. Sie lässt nämlich die (im Sinne der Rechtsprechung des EuGH) erforderliche Information weg, dass bei richtlinienkonformer Auslegung unter bestimmten Voraussetzungen ein nicht ortsansässiger Rechtsanwalt gewählt werden kann. Das ist dann der Fall, wenn sich der nicht ortsansässige Rechtsvertreter dazu bereit erklärt, seine Leistungen wie ein ortsansässiger Vertreter zu verrechnen, weil damit der Sinn und Zweck der Klausel (kostensparende und prämiensenkende Wirkung) gewahrt bleibt. Die Klausel verletzt das Transparenzgebot, weil in ihr diese wesentliche Information weggelassen wird und deren Fehlen geeignet ist, beim Adressaten eine unrichtige Vorstellung von seinen Rechten zu erwecken und ihn von der Verfolgung berechtigter Ansprüche abzuhalten.

versdb 2022, 74
Rechtsschutz
7Ob169/22m

Vorsatzdelikte

Klausel: „Unabhängig vom Verfahrensausgang besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherte bereits mindestens einmal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdeliktes verurteilt wurde.“

Die Klausel findet sich in Art 19.2.2.2. ARB 2019 des Rechtsschutzbausteins Straf-Rechtsschutz.

Die Klausel verstößt weder gegen § 864a ABGB noch gegen § 879 Abs 3 ABGB und ist auch nicht intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

versdb 2022, 74
Rechtsschutz
7Ob169/22m

Ausnahmesituationsklausel intransparent

Klausel: „1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen […]
1.4. in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind.“

Damit der Risikoausschluss zur Anwendung gelangt, muss die „Ausnahmesituation“ von einer „Regelsituation“ abweichen. Der Begriff „Ausnahmesituation“ wird vom nicht näher definiert. Er ist so unbestimmt, dass im allgemeinen Sprachbereich gerade keine klaren Kriterien bestehen, die eine zweifelsfreie Zuordnung jeder möglichen Situation entweder als Regelfall oder als Ausnahme zulassen. Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der in der Klausel verwendete Begriff zahlreiche Interpretationen zulässt, die von der bloß unüblichen Situation bis hin zum nicht beherrschbaren außerordentlichen Zufall im Sinn des § 1104 ABGB reichen. Da der Verbraucher aber die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen.

Die Klausel ist damit intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG.

Anmerkung: Die Klausel ist intransparent und daher im Verbrauchergeschäft unzulässig. Der OGH hat aber erneut festgestellt (wie auch in 7 Ob 42/21h, versdb 2021, 31), dass die Ausnahmesituationsklausel nicht gröblich benachteiligend ist.

versdb 2022, 74
Rechtsschutz
7Ob169/22m

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