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Rechtsschutzversicherung: VN wird vom früheren Geschäftsführer geklagt

Rechtsschutzversicherung: VN wird vom früheren Geschäftsführer geklagt

07. Dezember 2020

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8 Min. Lesezeit

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News-Management & Wissen

Ausschlüsse sind grundsätzlich nach dem Zweck des Ausschlusses auszulegen. In einer aktuellen Entscheidung des OGH (7 Ob 166/20t, versdb 2020, 59) ging es um die Auslegung des Ausschlusses für Streitigkeiten im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person.

Andreas Richter

Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 12/7/2020

Der VN (ein Unternehmen) schloss mit dem Rechtsschutzversicherer einen Rechtsschutzversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2015) zugrunde liegen. Der Versicherungsvertrag enthielt auch den Rechtsschutzbaustein für Arbeits- und Dienstrechtssachen.

Die ARB enthielten u.a. folgenden Risikoausschluss: „Artikel 7 Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen? (Allgemeine Risikoausschlüsse)

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

1. […]

2. in ursächlichem Zusammenhang

[…]

2.4. mit der Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter juristischer Personen, dessen Anstellungsverhältnis oder als Aufsichtsrat von juristischen Personen;

[…]“

Der VN wurde mit Klage vom 7. 12. 2018 von seinem ehemaligen (Kurzzeit-)Geschäftsführer auf Schadenersatz wegen ungerechtfertigter Entlassung geklagt. Das Verfahren ist vor einem Arbeits- und Sozialgericht anhängig. Aufgrund rechtsgrundloser Entlassung am 23. 10. 2018 bestünden Ansprüche auf laufendes Entgelt und Kündigungsentschädigung.

Der VN meldete diese gegen ihn gerichtete Klage unverzüglich seinem Rechtsschutzversicherer als Schadensfall. Die Versicherer lehnte die Versicherungsdeckung unter Hinweis darauf ab, dass nach den übermittelten Unterlagen der Prozessgegner des VN Geschäftsführer des VN gewesen sei. Gemäß Art 7.2.4. ARB 2015 bestehe daher kein Versicherungsschutz.

Der VN begehrte für das arbeitsgerichtliche Verfahren Deckungsschutz und stützt sich dabei auf Art 7.2.4. ARB 2015. Es bestehe lediglich kein Versicherungsschutz für Verfahren, die aus der Tätigkeit des VN als gesetzlicher Vertreter juristischer Personen (und dessen Anstellungsverhältnis) resultierten. Verfahren über arbeitsrechtliche Ansprüche des Geschäftsführers gegen den VN seien von der Ausschlussklausel nicht umfasst.

Entscheidung des OGH

Der Fall landete letztlich vor dem OGH: Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt lt. OGH durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen.

Nach Art 7.2.4. ARB 2015 besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im ursächlichen Zusammenhang „mit der Tätigkeit als gesetzlicher Vertreter juristischer Personen, dessen Anstellungsverhältnis oder als Aufsichtsrat von juristischen Personen“. Art 7.2.4. ARB 2015 enthält einen Risikoausschluss. Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Art 7.2.4. ARB 2015 beschreibt den Risikoausschluss nach seinem klaren Wortlaut nicht unmittelbar personenbezogen nach der Rechtsstellung des VN, das heißt es ergibt sich aus dem Wortlaut der Klausel nicht, dass es sich dabei um eine Tätigkeit des VN selbst handeln müsste. Vielmehr erkennt auch ein durchschnittlicher VN, dass sich das Wort „als“ auf die Tätigkeit/Stellung einer Person (nicht nur auf den VN) bezieht. Es wird ein ursächlicher Zusammenhang mit dieser bestimmten Tätigkeit/Stellung im Unternehmen gefordert, nämlich jener als gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person. Streitigkeiten des VN mit seinem Geschäftsführer wegen behaupteter ungerechtfertigter Kündigung des Anstellungsverhältnisses sind demnach solche Streitigkeiten, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Geschäftsführers stehen und daher vom Risikoausschluss umfasst. Daran ändert auch der Baustein „Rechtsschutz in Arbeits- und Dienstrechtssachen“ nichts, wird doch in dieser Bestimmung auf die Risikoausschlüsse nach Art 7 ARB verwiesen.

Anmerkung

Die Entscheidung des OGH ist schlüssig: Ausschlüsse sind nach dem Zweck des Ausschlusses auszulegen. Das Prozesskostenrisiko einer Streitigkeit im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit eines gesetzlichen Vertreters einer juristischen Person ist ungleich höher, als bei einer Streitigkeit zwischen einem Unternehmen und einem „normalen“ Angestellten. Das gilt unabhängig davon, oder der Rechtsschutz-VN nun das Unternehmen oder der gesetzliche Vertreter des Unternehmens ist oder war. Daher ist die Anwendbarkeit des Ausschlusses einerseits nach dem Wortlaut, andererseits aber auch nach dem Zweck dieses Risikoausschlusses im konkreten Fall jedenfalls zu bejahen.

Bei ursachen- und ereignisbezogenen Ausschlüssen genügt lt. nach der Judikatur des OGH nicht ein adäquat kausaler Zusammenhang mit dem ausgeschlossenen Geschehen (Ursache, Ereignis), sondern es ist ein „qualifizierter“ Zusammenhang notwendig. Der Anlass des zu beurteilenden Rechtsstreits muss eine typische Folge des Ausschlusstatbestandes sein. Im zu beurteilenden Rechtsstreit muss sich das typische Gefahrenpotential verwirklichen. Dieser qualifizierte Zusammenhang liegt auch im konkreten Fall vor.

Beachten sollte man im Zusammenhang mit gegenständlichem Risikoausschluss insbesondere auch folgende Punkte:

  • Der Risikoausschluss greift nicht, wenn die im Anstellungsvertrag verwendete Bezeichnung als „Geschäftsführer“ unzutreffend ist, der VN diese Funktion in Wirklichkeit nicht hatte. Streitigkeiten zwischen einer juristischen Person und einem ehemaligen gesetzlichen Vertreter sind grundsätzlich erst ab dessen Bestellung zum gesetzlichen Vertreter nicht mehr versichert (BGH r+s 2020, 85).
  • Bei einer Prokura oder einer Handlungsvollmacht handelt es sich nicht um gesetzliche Vertreter iSd Risikoausschlusses „gesetzliche Vertreter juristischer Personen“.
  • Der handelsrechtliche Geschäftsführer einer GmbH ist gesetzlicher Vertreter der GmbH, der gewerberechtliche Geschäftsführer jedoch nicht.

Autor: Ewald Maitz (Foto), MLS – www.knowhow-versicherung.at
versdb – Datenbank: www.versdb.at
versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

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