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Privathaftpflicht: Neunjähriger zerkratzt Autos

Privathaftpflicht: Neunjähriger zerkratzt Autos

02. August 2021

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4 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Wenn Kinder einen Schaden verursachen, gibt es wohl meist Schwierigkeiten mit der Entscheidung, ob die Privathaftpflichtversicherung eine Leistung erbringen muss. Aktuell entschied der OGH einen Fall eines Neunjährigen, der Autos zerkratzte (OGH 7 Ob 53/21a, versdb 2021, 42).

Kerstin Quirchtmayr

Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 8/2/2021

Der Fall und die Entscheidung des OGH sind schnell zusammengefasst:

Bei einem neunjährigen Kind ist die grundsätzliche Einsicht vorauszusetzen, wonach ein Zerkratzen von Autos über einen Zeitraum von zwei Wochen kein harmloses, folgenloses Spiel, sondern ein Bosheitsakt ist. Es handelt sich hier nicht um unbedachtes, spielerisches Handeln, um einen als Ausrutscher zu wertenden „Kinderstreich“, sondern um einen Vandalenakt, zumal der Sohn des VN selbst angegeben hat, sie hätten die Autos „kaputt“ machen wollen. Es liegt keine Gefahr des täglichen Lebens vor und somit besteht keine Deckung aus der Privathaftpflichtversicherung.

Bei diesem vom OGH entschiedenen Fall ging es nur um die Frage der Deckung aus der Privathaftpflichtversicherung. Die Deckungsvoraussetzung „Gefahr des täglichen Lebens“ findet sich in den Versicherungsbedingungen. Aufgrund der außergewöhnlichen Situation hat der OGH hier wohl zurecht eine Deckung aus der Privathaftpflichtversicherung verneint.

Das bedeutet für den VN, dass der Versicherer einerseits keine Schadenersatzleistungen erbringt, sofern diese gerechtfertigt sind (also bei einer Haftung), aber auch mögliche ungerechtfertigten Schadenersatzforderungen (wenn keine Haftung) nicht abwehrt. Bei einem Neunjährigen kann man durchaus nicht immer eindeutig sagen, ob eine Haftung vorliegt.

Grundsätzliches zur Haftung von Unter-14-Jährigen

Ein Verschulden (und somit eine Haftung) von Kindern unter 14 Jahren kann nach § 1310 ABGB nur ausnahmsweise angenommen werden. Besonders Schulkinder sind bereits in der Lage, gewisse Gefahren zu begreifen. Die Verantwortlichkeit von Unmündigen ist umso weniger anzunehmen, je mehr das Alter unter der Mündigkeitsgrenze liegt.

Kein Verschulden (und damit keine Haftung) wurde vom OGH in folgenden Fällen angenommen:
  • 4-jähriges Kind verursacht einen Rodelunfall
  • 6 1/2-Jähriger, für den nicht erkennbar ist, dass der Motor eines abgestellten Fahrzeuges Feuer fangen kann, wenn man ein brennendes Zündholz auf das Auto wirft
  • 7-jähriges Kind überquert auf Zuruf ihrer älteren Schwester die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten
In folgenden Fällen wurde ein Verschulden bejaht (daher Haftung):
  • 7 1/2-Jähriges Schulkind betritt überraschend die Straße
  • 8-Jähriger überquert hinter einem am Fahrbahnrand stehenden Bus die Straße
  • 12-Jähriger stößt einen Gleichaltrigen gegen einen eben abfahrenden Bus
  • 13-Jähriger Radfahrer überholt mit zu geringem Seitenabstand
  • Knapp 14-Jähriger nimmt einen Radlader unbefugt in Betrieb

§ 1310 ABGB berücksichtigt auch das Vermögen des Schädigers. Nach ständiger Rechtsprechung zählt auch eine Haftpflichtversicherung zum Vermögen des unmündigen Schädigers.

Im vom OGH entschiedenen Fall wird wohl eine Haftung des Neunjährigen bejaht werden müssen. Das Problem ist aber – wie bereits ausgeführt – dass keine Deckung aus dem Versicherungsvertrag (keine Gefahr des täglichen Lebens) vorliegt. Da nun auch keine Abwehrdeckung aus dem Versicherungsvertrag besteht, muss der VN mit dem Gegner über die mögliche Haftungsfrage und die Höhe eines möglichen Schadenersatzes streiten.

Quellen: Maitz, AHVB/EHVB – Verlag Österreich, versdb OGH Datenbank

Autor: Ewald Maitz, MLS – www.knowhow-versicherung.at

versdb – Datenbank: www.versdb.at

versdb – Zeitschrift: www.versdb.at/print

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