Der Bauherrenausschluss ist ein ewiges und sehr umstrittenes Thema in der Rechtsschutzversicherung und war bereits Gegenstand vieler Urteile. In 7 Ob 172/21a vom 15.12.2021 beschäftigte sich der OGH mit der Frage, ob dieser Ausschluss überhaupt zulässig ist.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 6/9/2022
Von Dr. Wolfgang Reisinger (Foto)
Die mitversicherte Gattin des VN (in Folge: MV) ist Eigentümerin eines Wohnhauses. 2012 beauftragte sie eine Werkunternehmerin mit der Errichtung eines Wintergartens. Diese zog für die Lieferung der Isolierglasscheiben eine Subunternehmerin bei. 2014 stellte sich heraus, dass sich der Randverbund der Isolierglasscheiben verflüssigt hatte. In einem Prozess zwischen der Werkunternehmerin und der Subunternehmerin kam der gerichtlich bestellte Sachverständige zum Ergebnis, dass lediglich eine optische Beeinträchtigung gegeben sei. Die Werkunternehmerin verglich sich darauf mit der Subunternehmerin und stellte den Vergleichsbetrag der MV zur Verfügung. Im Jänner 2019 zeigte der Gatte der MV auf einer Baumesse einem Sachverständigen Fotos des Wintergartens. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass neben einem optischen Mangel ein gravierender technischer Mangel vorliege. Die MV brachte daraufhin Klage gegen den gerichtlichen Sachverständigen ein und stützte ihr auf Schadenersatz gerichtetes Klagebegehren auf den Umstand, dass dieser ein unrichtiges Gutachten zum Zustand des Wintergartens erstattet und sie im Vertrauen darauf eine für sie ungünstige Vermögensdisposition getroffen habe. Der Versicherer lehnte die Deckung wegen Vorliegens des Bauherrenausschlusses ab. Die MV vertrat die Ansicht, diese Klausel sei gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB), überraschend (§ 864a ABGB) und intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG). Ihr Klagebegehren blieb aber in allen Instanzen erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Klausel ist weder überraschend nach § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Die in Rechtsschutzverträgen übliche Klausel findet sich unter der Überschrift „Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?“. Allgemeine Rechtsschutzbedingungen decken wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit sowie der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete ab. Eine universelle Gefahrenübernahme, bei der der Versicherer jeden beliebigen Bedarf des VN nach Rechtsschutz decken müsste, ist im österreichischen Recht nicht gebräuchlich. Vor diesem Hintergrund vermag die Klägerin eine gröbliche Benachteiligung der Baurisikoklausel mit dem Hinweis auf eine mögliche Deckungslücke nicht zu begründen. Dies gilt umso mehr, als ohnedies die Möglichkeit der Vereinbarung eines Bauherren-Rechtsschutzes besteht.
Kommentar
Gegenstand des Prozesses gegen den gerichtlichen Sachverständigen ist die Klärung des Vorliegens des von der MV geltend gemachten Baumangels. Die Gerichte stellten richtig fest, dass sich damit das typische Bauherrenrisiko gleichermaßen wie bei der unmittelbaren Inanspruchnahme der Werkunternehmerin verwirklichte. Am adäquaten Kausalzusammenhang kann daher kein Zweifel bestehen. Da es dazu umfangreiche Judikatur gibt, hätte der OGH die Revision auch zurückweisen können. Er musste sich aber nolens volens mit dem Einwand der gröblichen Benachteiligung und der Intransparenz auseinandersetzen, weil es zu dieser Frage noch keinen Musterprozess der an sich sehr klagsfreudigen Konsumentenvertreter gibt.
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Titelbild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com
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