Kunden würden sich für Versicherungen nicht wie vor dem Apple Store anstellen? Diese Annahme stimmt nicht mehr, meint der InsurTech-Experte Dr. Robin Kiera von Digitalscouting. Er erklärt, über welche sozialen Medien Vermittler erfolgreich sein können.
Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 28.02.2020
von Dr. Robin Kiera*
Wäre es nicht schön, wenn Bestands- und Neukunden im Bedarfsfall einfach auf uns zukämen und wir interessierte Kunden dann wirklich beraten könnten? Wäre es nicht schön, wenn Kunden zu uns kämen und unsere Produkte gerne kaufen würden – etwa wie das neueste iPhone? Das wäre unmöglich, sagte erst vor Kurzem ein Versicherungsvorstand zu mir. Kunden würden nie zu uns kommen, so wie sie dies bei einem Apple-Store tun. Vor fünf Jahren wäre diese Aussage noch korrekt gewesen. Heute ist sie aber falsch. Denn heute verfügen wir über Strategien, Taktiken und Tools, die es jedem Unternehmen ermöglichen, rege mäßig auf dem Radar von Kunden zu erscheinen, sodass diese im Moment des Bedarfs auf das Unternehmen zukommen. Das Geheimnis: Attention Hacking.
Aufmerksamkeit gewinnen
In den letzten Jahren haben sich das Kommunikationsverhalten und die Aufmerksamkeit von Menschen dramatisch verändert und massiv verschoben. Während Menschen früher auf klassische Medien zur Informationsgewinnung über ihren eigenen Horizont hinaus angewiesen waren, verwenden sie heute das mobile Internet, Suchmaschinen, Messenger und soziale Medien. Die brutale Selektion der Algorithmen hat die Einstiegshürden weggerissen. Heute kann jeder ein Content-Creator sein und hat das Potenzial, Millionen oder eine bedeutende Community zu erreichen.
Dies funktioniert auch für Makler. Die Hauptidee: aktiv werden auf Social Media, selber Inhalte für relevante Zielgruppen produzieren und veröffentlichen. Wer pro Kanal mehrfach täglich relevante Inhalte teilt, die seine Zielgruppe wirklich interessieren oder unterhalten, wird Teil von deren täglichem Leben. Wenn sie dann vor einem Problem stehen, für das der Vermittler die Lösung parat hält, wird das Telefon klingeln. Der Kunde wird Sie anrufen – so wie er sich beim Apple-Store anstellt. Auch wird die Ansprache viel leichter: Der Kunde wird sich weniger an die oft unverständlichen Briefe der Versicherer erinnern, sondern an die wert- und humorvollen Posts – ein Gespräch kann so ganz anders geführt werden. Doch welche Kanäle sind für die Versicherungswirtschaft aktuell überhaupt interessant?
TikTok – The next big thing?
TikTok ist die beliebteste App der Welt. Dort veröffentlichen Nutzer Kurzvideos (Dauer bis 60 Sekunden). Es begann mit unterhaltsamen Tanz- und Musikvideos. Heute sind dort auch Nachrichten und Informationsinhalte zu finden. Das Besondere: Gute Inhalte erhalten eine große organische, kostenlose Reichweite. Innerhalb von zwölf Wochen erreichten wir über 1 Million Views – ohne einen Euro für Werbung auszugeben. Dies könnten Vermittler auch. Geht aufgrund unseres Themas nicht? Ein Anwalt erläutert täglich Rechtsprobleme – und hat schon über 300.000 Follower und 4,3 Millionen Likes (@Herranwalt).
WhatsApp – Der unterschätzte Kanal
In anderen Ländern werden Messengersysteme längst systematisch zur Kundenakquise und Kundenbetreuung eingesetzt. In Europa haben nur wenige – wie etwa KLM – erkannt, wie sehr man mit guten Realtime-Services Kunden begeistern kann. Jeder Vertriebler kann WhatsApp-Status verwenden, um seine Kontakte zu informieren oder auch über Broadcasts (bei vorliegender DSGVO-Zustimmung) Inhalte zu teilen.
LinkedIn und XING
Eine besonders spannende Zielgruppe ist auf XING und LinkedIn vertreten: gut verdienende Angestellte, Führungskräfte und Selbstständige. Gut funktionieren hier Inhalte zu beruflichen Themen und Einblicke ins eigene Unternehmen. Wer also noch nicht seinen gesamten Kundenstamm und alle Visitenkarten der letzten 15 Jahre durchgegangen und Kontakte auf LinkedIn gesucht und hinzugefügt hat, sollte dies schnellstens tun. Denn hier verbringen interessante Zielgruppen einiges an Zeit.
Instagram und Facebook
Jeder Kommunikationskanal und je- de Plattform unterliegen der unerbittlichen Logik des Produktlebenszyklus: Aufstieg, Zenit und Fall. Ein Gradmesser hierfür ist die organische, unbezahlte Reichweite. Während früher bei Instagram und Facebook Inhalte von unbekannten Autoren viral gehen konnten, ist dies heute nahezu unmöglich. Posts erreichen zwischen 1 und 5% der eige- nen Kontakte und Fans. Dennoch sind beide Kanäle für Vertriebe nicht notwendigerweise tot. Für Vertriebe kann es für ganz spezifische Zielgruppen interessant sein, bei Instagram und Facebook Inhalte zu produzieren und mit kleinem Werbebudget (5 bis 10 Euro pro Post) an die Zielgruppe auszuspielen oder den Kontakt zu Freunden und Kunden zu pflegen.
YouTube – Das Jahrzehnt des Videos
Dieses Jahr wird über 50% des weltweiten Internet-Traffics durch Videos erzeugt. Während Texte Fachkenntnisse erzeugen, Bilder erste Sympathie, hat Video die Fähigkeit, die eigene Persönlichkeit zu transportieren und aus Kunden echte Fans und Freunde zu machen. Heutzutage funktionieren vor allem Nischenthemen und das Beantworten von Fragen rund um das Thema Finanzen, Vorsorge und Vermögen. Nur eines ist zum Scheitern verurteilt: Produktverkauf.
Was also tun?
Nehmen Sie von diesem Artikel nur eine Botschaft mit: Fangen Sie einfach an. Fangen Sie an, Inhalte zu konsumieren und Inhalte zu produzieren – auf dem Kanal und in dem
Format, der bzw. das Ihnen am meisten Spaß bereitet. Der wachsende Erfolg wird Ihnen recht geben. Sie werden mehr und mehr Follower erreichen und Bekannte und Kunden werden Sie positiv darauf ansprechen – wenn Sie mehrfach täglich für neun bis zwölf Monate relevante Inhalte auf den oben genannten Kanälen erstellen. Es lohnt sich. Ihr Umsatzwachstum wird Ihnen recht geben.
*Quelle: AssCompact Deutschland; gekürzt durch Redaktion Österreich
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