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Unfall: Frist wegen Demenz versäumt

Unfall: Frist wegen Demenz versäumt

25. September 2019

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4 Min. Lesezeit

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News-Im Blickpunkt

Nach einem Unfall macht der Versicherte seinen Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität nicht fristgerecht geltend. Der Versicherer lehnt ab – und verstößt damit womöglich gegen Treu und Glauben. Der Fall wurde noch nicht abschließend geklärt.

Mag. Peter Kalab

Redakteur/in: Mag. Peter Kalab - Veröffentlicht am 9/25/2019

Die Versicherungsnehmerin hatte bei der Beklagten eine Unfallversicherung abgeschlossen. Die Klägerin (Verlassenschaft) ist die Rechtsnachfolgerin des während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorbenen Mitversicherten.

Im Oktober 2014 stürzte der Versicherte in seiner Wohnung, wodurch er eine körperliche Funktionsminderung von 15% erlitt. Weder der Mann noch einer seiner Angehörigen oder die Versicherungsnehmerin machten innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall Ansprüche gegenüber dem Versicherer geltend. Der Klagevertreter verständigte den Versicherer erstmals im April 2016 vom Versicherungsfall.

„Gröblich benachteiligend und sittenwidrig“

Die Rechtsnachfolgerin klagte den Versicherer auf 21.000 Euro Schadenersatz. Die Obliegenheit nach Art 7.1.1 AUVB 2012 sei weder grob fahrlässig noch vorsätzlich verletzt worden, weshalb sich die Beklagte nicht auf Leistungsfreiheit berufen könne. Die Klausel sei zudem ungewöhnlich, gröblich benachteiligend und sittenwidrig, weil bloß auf den Unfalltag als fristauslösendes Ereignis abgestellt werde. Die Beklagte dürfe sich nach Treu und Glauben nicht auf diese Klausel berufen, weil der Versicherte erst im Februar/März 2016 vom Versicherungsverhältnis Kenntnis erlangt habe, weshalb er seine Ansprüche nicht innerhalb von 15 Monaten habe geltend machen können. Auch § 1494 ABGB stehe einer Verfristung der Ansprüche entgegen, weil der Versicherte infolge Demenz nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Rechte selbst wahrzunehmen.

Nicht in der Lage, Rechte wahrzunehmen?

Das Erstgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht hob das Urteil zur neuerlichen Entscheidung auf. Die Berufung auf die Ausschlussfrist durch den Versicherer sei nicht schon allein deshalb treuwidrig, weil der Versicherte diese Frist ohne Verschulden versäumt habe oder dem Versicherten der Versicherungsvertrag nicht bekannt gewesen sei. Nach § 1494 ABGB i könne aber die Verjährung nicht beginnen, wenn eine geschäftsunfähige Person nicht in der Lage sei, ihre Rechte selbst zu verwalten, und kein gesetzlicher Vertreter bestellt sei. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen darüber zu treffen haben, ob der Versicherte tatsächlich nach dem Unfall aufgrund eines Mangels seiner Geisteskräfte nicht fähig gewesen sei, seine Rechte selbst zu wahren.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur erheblichen Rechtsfrage vorliege, ob § 1494 ABGB auf Ausschlussfristen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen anzuwenden sei.

Verfahren ist zu ergänzen

Der OGH (7Ob47/19s) kam zu folgendem Ergebnis: Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, ob die Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung für dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an tatsächlich an einer nach dem Unfall vorgelegenen geistigen Beeinträchtigung des Versicherten scheiterte. Dabei werde insbesondere auch auf das – von den Vorinstanzen bislang nicht weiter beachtete – Vorbringen der Beklagten Bedacht zu nehmen sein, wonach der Versicherungsnehmerin angeblich bereits im Oktober 2014 der Unfall des Versicherten bekannt gewesen sei.

Möglicher Verstoß gegen Treu und Glauben

Sollte eine nach dem Unfall vorgelegene geistige Beeinträchtigung des Versicherten tatsächlich der Grund dafür gewesen sein, dass weder die Versicherungsnehmerin noch der Versicherte einen Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend machen konnten, dann verstößt die Berufung auf die Ausschlussfrist gegen Treu und Glauben. Sollte dies die Klägerin nicht erweisen können, sei ein allfälliger Anspruch erloschen. Zur Klärung dieser Frage erweist sich der Aufhebungsbeschuss des Berufungsgerichts im Ergebnis als berechtigt.

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