Beim AssCompact Roundtable im AssCompact Mediencenter Gasometer diskutierten renommierte Experten der Versicherungsbranche zum Thema Schadenabwicklung und Potenziale zur besseren Zusammenarbeit aller Parteien. Eine Schwierigkeit im Schaden orten die Experten bei den Versicherungsbedingungen. Aber auch die langen Lieferketten und die steigende Inflation haben große Auswirkungen auf die Schadenabwicklung.
Redakteur/in: Andreas Richter - Veröffentlicht am 8/9/2022
„Ich bin in einer Zeit im Schaden groß geworden, wo ich die AVBs lernte und dann habe ich alle Versicherer gekannt. Heute hat jeder Versicherer seine eigenen Versicherungsbedingungen und auch unterschiedliche Bedingungsgenerationen. Und wir sind ja Gewohnheitstiere, auch als Menschen. Und wenn wir alle etwas gelesen haben, dann nehmen wir an, dass das für alle Zeiten so ist. Uns Maklern muss das viel mehr bewusst werden, dass wir genau auf die Vertragsgrundlage schauen müssen. Wir erhalten heute eine Polizze von derselben Versicherung, aber mit völlig anderen Bedingungen oder zumindest im Detail anderen Bedingungen. Man kommt dann erst drauf, wenn der Schaden schon passiert ist und man völlig konsterniert eine Ablehnung bekommt und nicht weiß warum. Das ist ein echtes Problem, aber nicht Schuld der Versicherer“, so Schadenexperte Akad. Vkfm. Reinhard Jesenitschnig (C:M:S Maklerservice GmbH).
Akad. Vkfm. Ewald Maitz, MLS, Schadenexperte (www.knowhow-versicherung.at) zu dieser Thematik: „Die gute Schadenabwicklung beginnt schon bei der Produktgestaltung. Ich denke, dass es teilweise Klauseln und Rahmenvereinbarungen gibt, die unstrukturiert sind. Hier sind die Verbandsbedingungen von 1983 oder 1978 die Basis und in Wahrheit gibt es bereits eine ganz andere Bedingungsgrundlage. Das kann dann auch nicht funktionieren. Das ist bereits eine Herausforderung. Dem kann man aber vorbeugen, in dem man Produkte strukturiert gestaltet und klar aufbaut. Sie können durchaus komplex sein, aber es muss eine Klarheit da sein. Das ist ganz wichtig.“
Lieferkettenproblematik und Inflation mit großer Auswirkung auf Schadenabwicklung
Ein heikles Thema im aktuellen Marktumfeld ist, dass sich die meisten Versicherungsbedingungen um den Schadenzeitpunkt drehen. Die Dauer bis zur Schadenbehebung spielt dann natürlich aktuell eine Rolle, da es in dieser Zeitspanne zu deutlichen Preissteigerungen kommen kann.
Dr. Gerhard Mayer, Abteilungsleiter Schaden bei UNIQA: „Das hat in den vergangenen Jahren keine wesentliche Rolle gespielt. Nun ist das aber ein teils dramatischer Faktor. Hier sind noch viele Fragen offen, wie man damit umgehen kann. Dass es aber dadurch in jedem einzelnen Fall zu Verzögerungen in der Schadenabwicklung kommt, denke ich nicht.“
Die Rolle der Inflation in diesem Zusammenhang schnitt Mag. Xaver Wölfl, COO Ressort Service & Digital Transformation der Allianz, an: „Zu Beginn dachten viele, dass die hohe Inflation bald wieder vorrübergeht. Langsam wird es jedoch immer klarer, dass die hohe Inflation gekommen ist, um zumindest für eine gewisse Zeit zu bleiben. Was das in den Schadenabteilung auslöst, wird erst nach und nach sichtbar. Eigentlich müsste die Inflation ja bewirken, dass ein Schaden möglichst schnell abgewickelt wird, damit die Schadenkosten nicht davonlaufen. So gesehen müsste die Inflation einen natürlichen Druck erzeugen, dass wir mit Einsatz aller Mittel – egal ob digital oder face to face – einen Schaden möglichst schnell regulieren. Je länger der Schaden offen ist, desto höher werden die Kosten.“ Für die Versicherer sei die aktuelle Marktlage, die durch einen Mangel an Wiederbeschaffungsressourcen in sehr vielen Bereich gekennzeichnet ist, ein schwieriges Thema.
Auch andere Vertreter von Versicherern in der Diskussionsrunde bestätigten, dass sie die Lieferkettenthematik zu spüren bekommen. „Großschäden können beispielsweise eine enorme Dynamik haben, da der Betriebsunterbrechungsschaden steigt, wenn ein Zulieferer z. B. einen Trafo zwar liefern kann, eine Kleinigkeit wie ein Rad oder ein Lüfter jedoch fehlt und eine Anlage nicht in Betrieb genommen werden kann. Aus Kundensicht spürt man das natürlich in der Dauer. Auch Versicherungsmakler und wir Gesellschaften spüren das und hätten den Fall lieber längst erledigt. Je länger die Betriebsunterbrechung dauert, desto teurer wird sie natürlich“, so Dr. Richard Fabsits, Leiter des Bereichs Leistung der Zürich Versicherungs-AG.
Die Versicherer bauen darauf, dass die Wahrnehmung des Kunden und des Maklers die sei, dass es in so einem Fall dann auch nicht an der Versicherung liegt. Die Dauer von Reparaturen werde schließlich von den jeweiligen Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben gesteuert, nicht von der Versicherung – wobei es natürlich Ausreißer gebe, bei denen die Deckung diskutiert wird. Speziell im Elementarbereich seien Versicherer massiv abhängig: Keine Handwerker, keine Ressourcen, kein oder verspätetes Material – dann nütze auch der zahlungsfreudigste Versicherer nichts – der Schaden werde offen bleiben.
Die Sicht eines Sachverständigen legte Ing. Marco Martinz, Geschäftsführer und Leiter der Sachverständigenabteilung, SmartGlassExperts, dar: „Es ist die Problematik, einen marktüblichen Preis zu finden – das ist zurzeit eine Herausforderung und nimmt viel Zeit in Anspruch.“
Martinz ergänzte, dass aus seiner Sicht die Schadenreferenten in den vergangenen Jahren deutlich schneller reagieren. Zeitfresser seien unter anderem nötige juristische Beurteilungen von Schäden. „Das liegt dann auch nicht auf der Seite des Versicherers oder auf der Seite des Maklers. Meine Erfahrung hat hier gezeigt: Gibt es eine gute Kommunikation zwischen Anspruchsteller, Versicherungsnehmer, Makler und Schadensreferat, dann lässt sich das zum einen argumentativ darstellen und zum anderen gibt es dann dafür auch Verständnis. Schwierig wird es, wenn einer der beteiligten Protagonisten keinerlei Informationen erhält. Das passiert leider sehr häufig auf der Anspruchstellerseite. Hier gibt es oft großen Unmut.“ Diskussionsleiter Franz Waghubinger stellte in den Raum, dass möglichweise aktuell niemand einen Schaden um den Preis behebt, den ein Sachverständiger veranschlagt hat. Ing. Marco Martinz meinte, dass genau dies das Problem der Sachverständigen sei: Einerseits das Finden einer günstigen Lösung, andererseits marktübliche Preise abzuschätzen – dies sei in der aktuellen Marktlage oftmals gar nicht möglich.
Im dritten Teil des Beitrages über den AssCompact Roundtable zum Thema „Schaden“ dreht sich alles über die Vor- und Nachteile der Digitalisierung im Schadenbereich und ob die Datenschutzbestimmungen dem Fortschritt hierbei zu sehr ausbremsen.
Hier geht’s zum ersten Teil des Beitrages „AssCompact Roundtable zum Thema Schaden“ …
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Foto oben: Die Teilnehmer des AssCompact Roundtables „Schaden“ v.l.n.r.: Mag. Xaver Wölfl (COO – Ressort Service & Digital Transformation; Allianz ), Akad.Vkfm. Reinhard Jesenitschnig (Versicherungsmakler & Schadenexperte; Contracta.Makler.Service.GmbH), Mag. Ulrike Mayer (Leiterin des RechtsService der D.A.S. sowie der D.A.S. Rechtsberatung), Mag. Reinhard Seehofer, MBA (Leiter Schaden, GF RISK-AKTIV Versicherungsservice GmbH; Generali), Thomas Litschauer (Generalsekretär; IGV), Akad. Vkfm. Ewald Maitz, MLS (Experte für Schadens-, Haftpflicht- und Unfallversicherung sowie Versicherungsrecht; knowhow-versicherung.at), Ing. Marco Martinz (Geschäftsführer + Leiter der Sachverständigen Abteilung; SmartGlassExperts), Akad.Vkfm. Gunther Riedlsperger (Geschäftsführer STYRIAWEST, Obmann Fachgruppe Versicherungsmakler Steiermark), Dr. Gerhard Mayer (Schadenmanagement & Qualitätssicherung; UNIQA), Walter Steiner (Abteilungsleiter Schadensbereich – Servicecenter Sach; Wiener Städtische), Dr. Richard Fabsits (Leitung Bereich Leistung ; Zürich Versicherungs-Aktiengesellschaft, Franz Waghubinger (AssCompact Herausgeber)
Den gesamten Artikel über den AssCompact Roundtable zum Thema „Schaden“ lesen Sie in der AssCompact August-Ausgabe!
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