Marcel Amon, CEO von AON in Österreich, über Veränderungen in der Risikolandschaft der Versicherungswirtschaft, welche Herausforderungen sich daraus ergeben und wie AON diesen im Unternehmen begegnet.
Redakteur/in: Kerstin Quirchtmayr - Veröffentlicht am 05.07.2024
AON führt regelmäßig Befragungen durch, bei denen Industrieunternehmen und Entscheidungsträger global ihre Top-Risiken benennen. „Früher waren Themen wie Naturkatastrophen, Betriebsunterbrechungen und Reputationsschäden vorherrschend. In den letzten Jahren hat sich das geändert, und wir sehen eine Verschiebung hin zu Risiken wie Inflation, Lieferkettenproblemen und Krieg“, informiert Marcel Amon. „Eine der größten Herausforderungen ist die Anpassung an die neuen Risiken, die unsere Kunden identifizieren. Dazu gehören auch Themen wie die Sicherung von Talenten und Führungskräften. Interessanterweise haben Klimarisiken, trotz ihrer Bedeutung, in der Wahrnehmung der Risiken eine niedrigere Priorität erhalten und sind in unserer letzten Studie auf Platz 17 gelandet.“
Eine mögliche Erklärung für den Rückgang der Priorität von Klimarisiken könnte laut Amon sein, dass Unternehmen momentan mit akuten Krisen wie die Folgen der Corona-Pandemie und geopolitischen Konflikten beschäftigt sind: „Sie konzentrieren sich daher möglicherweise mehr auf kurz- bis mittelfristige Risiken. Das Thema Klima, obwohl wichtig, könnte daher in der Prioritätenliste zurückfallen, weil Unternehmen sich auf die unmittelbaren Herausforderungen konzentrieren, die sie direkt vor sich sehen.“
Auch KI spielt eine immer größere Rolle in der Risikolandschaft für Unternehmen. Zwar unterstützt KI Arbeitsprozesse schneller und effizienter zu erledigen, dennoch wird KI in der Cyberkriminalität zunehmend relevant. „Wir beobachten bereits, wie gut KI in der Lage ist, Kommunikation, Verhaltensweisen und sogar E-Mails künstlich zu generieren. Dies führt zu Phänomenen wie dem ‚Deep Fake‘. Die Fähigkeit der KI, Stimmen und Schreibstile zu imitieren, wird sicherlich eine Herausforderung darstellen. Wir als Gesellschaft konzentrieren uns momentan auf den Nutzen der KI, erfassen aber noch nicht vollständig das Potenzial und die damit verbundenen Risiken“, so Amon.
AON positioniert sich als Berater und Coach statt als traditioneller Versicherungsmakler
AON nehme laut Amon die Herausforderungen des Klimawandels, der zunehmenden Cyberkriminalität und anderer Risiken sehr ernst, insbesondere als Beratungsunternehmen: „Wenn wir die Top 10 Risiken betrachten, erkennen wir, dass nur wenige davon tatsächlich versicherbar sind. Daher ist es für uns wichtig zu überlegen, wie wir relevant bleiben und Unternehmen bei der Bewältigung dieser Risiken unterstützen können. Wir versuchen, uns weniger als traditioneller Versicherungsmakler zu positionieren, sondern vielmehr als Berater und Coach für unsere Kunden. Um diesen Wandel zu vollziehen, streben wir danach, unser Unternehmen stärker in Richtung Beratungshaus zu transformieren.“
Versicherer werden immer mehr zu Unternehmensberatern
In der Versicherungsbranche wird oft diskutiert, dass es immer mehr zu einer Verschmelzung mit Unternehmensberatung kommt. Auch Marcel Amon ist der Meinung, dass die Grenzen zwischen Versicherungsmaklern und Unternehmensberatern zunehmend verschwimmen: „Für mittelständische Kunden bieten wir eine umfassende Risikobewertung an, um ihre Versicherungsbedürfnisse zu klären. Wir helfen dabei, die richtigen Versicherungsdeckungen und Summen zu bestimmen. Bei größeren Unternehmen ist die Situation komplexer. Einige möchten möglicherweise bestimmte Risiken nicht versichern, während andere Schwierigkeiten haben, angemessene Versicherungsdeckungen zu finden. Hier nutzen wir unsere Position als Versicherungs- und Rückversicherungsmakler, um umfassende Lösungen anzubieten. Wir investieren auch in Ingenieursdienstleistungen, um Wiederbeschaffungszeiten zu berechnen und die Unterversicherung zu vermeiden. Unser Ziel ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Risiken zu verstehen und angemessen abzusichern, um im Schadensfall optimal geschützt zu sein.“
AON erweitert Serviceangebot zur Minimierung des Unterversicherungsrisikos
Auch das Thema Unterversicherung nehme bei AON einen hohen Stellenwert ein. So habe man festgestellt, dass die versicherten Werte in den letzten drei Jahren um fast 25% gestiegen sind, was die Gefahr der Unterversicherung erhöhe. „Um dem entgegenzuwirken, haben wir unser Serviceangebot erweitert und Ingenieure eingestellt, die speziell für die Berechnung von Wiederbeschaffungszeiten und -kosten zuständig sind. Diese Dienstleistung bieten wir den Unternehmen an, um sicherzustellen, dass ihre Versicherungssummen aktuell und angemessen sind. Dies ist besonders wichtig, um im Schadensfall eine ausreichende Deckung zu gewährleisten und das Risiko einer Unterversicherung zu minimieren“, erklärt Amon.
Unterstützung bei Cyberversicherung durch technische Beratung
Die Beratung zum Thema Cyberrisiken gestaltet sich oft nicht einfach, da Unternehmen ohne größere Investitionen im Vorfeld gar nicht versicherbar sind. Auch AON sieht, dass vor allem KMUs technisch oft nicht auf dem erforderlichen Niveau sind, um eine Cyberversicherung abschließen zu können. „Cybersicherheit ist eine grundlegende Voraussetzung für den Erhalt einer Cyberversicherung. Wir begegnen diesem Problem, indem wir technische Beratung anbieten, um Unternehmen auf den erforderlichen Standard zu bringen. Dies umfasst eine detaillierte Analyse ihres aktuellen Sicherheitsniveaus und die Empfehlung notwendiger Investitionen in IT-Sicherheit. Interessanterweise entscheiden sich manche Unternehmen nach dieser technischen Aufrüstung gegen eine Versicherung, weil sie das Risiko selbst tragen können“, so Amon.
Mehr Investition in technische Expertise zur Stärkung der Kundenberatung
Um auf die steigenden Anforderungen und das zunehmende Vorwissen ihrer Kunden im Beratungsbereich zu reagieren, plane AON mehr in technische Expertise zu investieren. „Wir wollen Unternehmen verstärkt in technischen Fragen begleiten, wie beispielsweise bei der Bewertung von Summen oder der Absicherung gegen Cyber-Risiken. Dabei erkennen wir die Bedeutung unserer Internationalität, da viele österreichische Unternehmen und der Mittelstand international tätig sind. Durch eine stärkere Ausrichtung auf technische Beratung wollen wir uns differenzieren und unseren Kunden einen Mehrwert bieten, um im zunehmend härteren Wettbewerbsumfeld bestehen zu können“, informiert Amon.
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Foto oben: Marcel Amon, CEO von AON in Österreich
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